Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
Kunststück«, kommentierte Bromm, »aber jetzt kommt. Wir sind dem Feind noch viel zu nah. Wir sind erst sicher, wenn wir die Wildnis von Astria erreicht haben.«
Im Osten kündigte bereits ein schmaler hellgrauer Streifen den Morgen an, als sie am Fuße der Siebten Zinne die Felsspalte verließen und sich auf einem Hang oberhalb eines lichten Nadelwaldes mit hohen, borkigen Stämmen und ausladenden kegelförmigen Kronen wiederfanden. Der Schmugglerweg über den Drakenskal endete an der Ostwand des Berges und sicher vier Meilen vom östlichen Befestigungswall der Wolflinge entfernt. Für den Moment waren sie vor einer Entdeckung sicher.
Tarean ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen und hielt unwillkürlich den Atem an. Er hatte auf seiner Reise das saftig grüne Kernland von Breganorien kennengelernt, ebenso wie die von Laubwald bedeckten Hügellande Thals. Doch nichts davon kam der wilden Schönheit Astrias auch nur nahe, die sich vor seinen Augen ausbreitete. Rau und zerklüftet war das Land, voller braun und dunkelgrün bewaldeter Bergkuppen und tiefer, schmaler Schluchten, durch die eisige Gebirgsbäche rauschten. Hoch über ihren Köpfen kreiste ein Jagdvogel, und über diesem zog die graue Wolkendecke im kräftigen Höhenwind rasch von Ost nach West dahin. An einigen Stellen zeigten sich bereits Risse, und Streifen fahlblauen Himmels blitzten dahinter hervor.
Fern im Norden schien Astria in einer Wand aus Stein zu enden, die in dichten Nebel gehüllt war, und am östlichen Horizont konnte man im Lichte des anbrechenden Tages ein weiteres Gebirge erahnen. Dort lag ihr Ziel: At Arthanoc.
Sie gönnten sich nur eine kurze Verschnaufpause, dann wandten sie sich hangabwärts und tauchten ein in den Schatten der hoch aufragenden Föhren. Bromm hatte die Führung übernommen, Auril und Tarean folgten ihm, und Moosbeere schwebte zwischen den Bäumen umher, offenbar zu neugierig auf dieses fremde Land, um müde zu werden. Ganz im Gegensatz zu ihr fühlte sich der Junge mittlerweile trotz der Frische des Morgens erschöpft und ausgelaugt, und seine Beine schmerzten von der nächtlichen Kletterpartie. »Es wäre mir lieb, wenn wir bald eine längere Rast einlegen könnten«, gähnte er. »Ich schlafe schon fast im Gehen ein.«
»Noch etwa vier Meilen, dann erreichen wir eine Klamm, in der wir ungestört den Rest des Tages und auch die Nacht verbringen können«, versprach ihm der Bär. »Es gibt dort Wasser, und Hainbeeren wachsen an den Sträuchern. Es wird euch gefallen.« Seit ihrer Ankunft in Astria wirkte er wieder deutlich ruhiger – wie ein Mann, der sich in den eigenen vier Wänden seines Hauses bewegte. Eigentlich hatte sich Tarean vorgenommen, wütend auf den Bären zu sein, wegen dessen Weigerung, Moosbeere zu helfen. Doch schon jetzt spürte er, wie sein Unmut verrauchte. Es lagen ein paar schlimme Tage und Nächte hinter ihnen, und selbst Bromms Gemütsruhe schien Grenzen zu kennen. Wer mochte ihm dies verdenken?
Tatsächlich wandte sich ihr Führer nach einer knappen Stunde der Wanderschaft nach rechts, und sie folgten einer sanft abfallenden Senke hinab in eine schmale Schlucht. Die felsigen Wände waren von Gestrüpp überwuchert, das stellenweise dicht wie ein braun-grüner Teppich den Stein bedeckte. Am Boden der Klamm floss ein kleiner, rascher Bach, der plätschernd über Stock und Stein setzte und immer wieder von seichten Becken aus natürlichem Fels gesäumt wurde, in deren stehendem Gewässer kleine, silbrig schimmernde Fische schwammen.
Nachdem sie eine Weile am Ufer des Flusses entlanggekraxelt waren, verbreiterte sich die Schlucht ein wenig, und sie erreichten einen Felsüberhang, von dem die Ranken einiger Sträucher herunterhingen wie ein zerschlissener Vorhang. Dahinter lag eine wenige Schritt breite und tiefe Einbuchtung, die sich regelrecht als Schlafplatz aufzudrängen schien. Ein schmaler Kiesstrand säumte einen flachen, vom Wildbach gespeisten Weiher, der links und rechts von bemoosten Steinen und Sträuchern eingefasst war, an denen – und hier hatte der Bär nicht übertrieben – in verschwenderischer Fülle kleine, violette, traubenähnliche Beeren wuchsen.
Bromm setzte sich auf den Kiesstrand und schnaufte: »Hier können wir eine Weile bleiben.«
»Den Dreigöttern sei Dank.« Tarean ließ sich neben ihm auf den Rücken fallen und schloss die Augen, ohne sich die Mühe zu machen, auch nur irgendein Stück seiner Kleidung oder Ausrüstung abzulegen.
Kaum
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