Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
und er stolperte mit einem leisen Aufschrei nach vorne, bevor er im Dunkeln gegen einen Körper prallte, der ihn festhielt. Ein leichter Geruch von Tannenzweigen stieg ihm in die Nase. »Vorsicht«, flüsterte Auril, und ihre Stimme war ganz nah an seinem Ohr. »Stufen.«
»Wo sind wir?«, flüsterte der Junge zurück, und er wagte es nicht, sich zu bewegen, einerseits aus Furcht, erneut fehlzutreten, andererseits wie gebannt von der unmittelbaren Nähe zu der Albin. Für einen Herzschlag durchzuckte ihn eine absurde Enttäuschung darüber, dass er ihren Körper durch den Mantel und den Lederharnisch nur als Masse und nicht als warmen, anschmiegsamen Leib wahrzunehmen vermochte.
»In einer Felsspalte, die uns hinab nach Astria führt«, hauchte die Albin.
Und dann war der seltsame Moment vorbei.
Auril ließ ihn los, und ihr Körper löste sich in der Dunkelheit auf. »Vielleicht können wir uns jetzt ein wenig Licht erlauben«, hörte er ihre Stimme ein oder zwei Schritt entfernt. »Beweg dich nicht, Tarean.«
Dann vernahm er näher kommendes Tapsen, und Bromms Stimme fragte: »Alles in Ordnung bei euch?«
»Ja«, erwiderte die Albin, während sie in ihrer Tasche kramte. Es gab ein sanft fauchendes Geräusch, und das kleine, rote Feenfeuer, das ihnen bereits in der Kloake von Agialon den Weg geleuchtet hatte, erwachte erneut zu flackerndem Leben. »Aber ganz ohne Licht brechen wir uns hier nur den Hals.«
Im Licht des Feenfeuers erkannte Tarean, dass sie mit dieser Aussage noch deutlich untertrieben hatte. Irgendwie hatte sich durch das Absacken einer riesigen Felsplatte des Nordosthangs der Siebten Zinne eine schmale Spalte gebildet, und während sie selbst auf einer abschüssigen, scharfkantigen Stufe in der eigentlichen Bergwand standen, verlor sich links von ihnen der rote Schein der Flamme in einem sicher fünfzig Schritt tiefen Abgrund, während ganz weit über ihren Köpfen ein schmaler Streifen Nachthimmel zwischen den Felsen zu sehen war. Der Junge bemerkte, dass er höchstens zwei Handbreit neben dem Abgrund stand, und er trat rasch einen Schritt zur Seite.
»Was ist nun? Können wir weiter?«, erkundigte sich der Bär vor ihnen ungeduldig.
Auril warf Tarean einen Blick zu, und der nickte beklommen. Dann aber fiel im siedend heiß etwas ein: »Moosbeere! Was ist mit ihr? Wir können sie doch nicht zurücklassen.«
»Na, umkehren können wir jedenfalls nicht. Die Gefahr der Entdeckung ist viel zu groß«, knurrte Bromm.
»Bromm hat recht«, pflichtete die Albin in versöhnlicherem Tonfall, aber nicht minder bestimmt, ihrem Gefährten bei. »Der Drache ist noch immer da draußen, und wir können froh sein, ihm einmal entronnen zu sein. Ein zweites Mal mag uns das nicht gelingen. Außerdem«, fügte sie nach kurzem Schweigen hinzu, »ist das Irrlicht selbst schuld. Wäre es nicht eigenmächtig losgezogen …«
»Wir lassen niemanden im Stich«, beharrte Tarean. »Vielleicht braucht sie Hilfe!«
»Das Irrlicht kann schon auf sich aufpassen«, brummte der Bär. »Und zumindest muss es sich nicht vor dem Drachen fürchten. Er wird es wohl kaum als schmackhaften Happen betrachten.«
»Dann bleibt doch hier!«, versetzte der Junge hitzig. »Ich gehe jedenfalls zurück!«
»Oh, du bist sooo süß«, zwitscherte ein helles Stimmchen nur wenige Schritt von ihnen entfernt, und plötzlich erstrahlte eine gelbe Lichtkugel knapp außerhalb des Lichtkreises ihrer Fackel über dem Abgrund, so als habe jemand einen winzigen Stern entzündet. Kichernd huschte das Irrlicht auf die übrigen Gefährten zu und verpasste Tarean einen dicken Schmatzer auf die Nasenspitze. »Mein Held.«
»Moosbeere!«, keuchte der Junge überrascht. »Wo kommst du denn her?«
»Von dort«, meinte das Irrlicht unschuldig und deutete auf den Eingang der Felsspalte.
»Und wie hast du das gemacht …? Ich meine … deine Aura …«
»Ach das«, sagte Moosbeere leichthin. »Das war doch nicht schwer. Ich habe einfach mein Licht angehalten, schau.« Das kleine Wesen holte tief Luft, presste dann demonstrativ und mit aufgeblasenen Backen die Lippen zusammen, und auf einmal wurde seine strahlende Aura merklich schwächer, verlor an Leuchtkraft wie eine verlöschende Fackel – und dann war das Irrlicht auf einmal dunkel und nur noch der schlanke Körper der winzigen Frau schwebte fast lautlos in der Luft. »Und wieder an«, sagte sie, und im gleichen Moment erstrahlte ihre Aura wieder so blendend hell wie zuvor.
»Ein tolles
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