Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
von ihnen seines Vaters wegen ohnehin stets mit Scheu oder Abneigung begegnet waren. Auril dagegen schien seine Herkunft nicht zu kümmern oder zumindest nicht abzuschrecken, hatte sie doch selbst bereits zu viele Dinge gesehen und erlebt, als dass ihr Blick oder Geist durch Mauern, wie sie das Leben auf einer Burg wie Dornhall umgaben, beengt sein könnte. Zudem war sie außerordentlich gewitzt und mutig, und nicht zuletzt war sie …
»Schön, nicht wahr?« Ohne die Augen zu öffnen, ließ die Albin einen wohligen Seufzer hören.
Der Junge schluckte trocken und spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. »Was?«
»Hier ist es schön, findest du nicht auch?«
Er nickte, obwohl sie ihn nicht sehen konnte. »Ja … sehr.«
Auf ihrem Gesicht breitete sich ein wissendes Lächeln aus.
Zwei Tage durchwanderten sie vergleichsweise unbehelligt die Wildnis von Astria. Und Tarean verstand, was der Werbär gemeint hatte, als er sagte, dass man das Land zwar erobern, aber nicht beherrschen könne, denn es gab praktisch keine menschliche, albische oder sonstige Zivilisation hier draußen. Kein Gehöft, kein Dorf und keine Holzfällersiedlung bekamen sie zu Gesicht. Nur einmal kreuzte ihr Weg eine Handelsstraße, die sich von Norden nach Süden zog und die, wie Bromm wusste, die etwa eineinhalb Tagesreisen entfernte Stadt Hornwall mit dem südlichen Undur verband.
In der ersten Nacht hörte Tarean fern im Wald unheimliche Geräusche, urtümliches Brüllen und das Brechen von Gehölz, so als tobe ein massiger Körper ohne Rücksicht auf Verluste durch Gestrüpp und Unterholz.
»Gibt es hier draußen Trolle?«, fragte der Junge den neben ihm liegenden Bromm leise.
»Das und Schlimmeres«, nuschelte der Bär mit geschlossenen Augen. »Aber keine Sorge: Sie haben ihre Reviere, und ich weiß, wie man ihnen aus dem Weg geht.«
Dass dem nicht ganz so war, zeigte sich am Nachmittag des darauffolgenden Tages, als sie eine Anhöhe erklommen und unvermittelt ein gewaltiges, katzenartiges Raubtier mit rostroter Mähne, weit aus dem Maul herausragenden Reißzähnen und zwei peitschenden Schwänzen aufscheuchten. Grollend kam die Bestie näher, doch Bromm erhob sich auf die Hinterbeine und röhrte drohend, und als Tarean und Auril sich mit gezogenen Schwertern zu ihm gesellten, überlegte es sich die Großkatze anders und zog sich langsam zurück. »Wir hatten Glück, dass wir den Selok überrascht haben und nicht er uns«, meinte Bromm danach, »sonst hätte es möglicherweise Tote gegeben.« Es lag ein Unbehagen in seiner Stimme, das dem Jungen erschreckend deutlich machte, dass der mächtige Werbär in den Urwäldern dieses Landes keineswegs an der Spitze der Nahrungskette stand.
In der Nacht indes hörten sie ein Geräusch, das ihnen mehr Sorge bereitete als das Brüllen der Trolle und das Grollen des Seloks. Tarean hatte sich, zumindest schien es ihm so, gerade erst nach einem langen und anstrengenden Tag in den traumlosen Tiefen des Schlafes verloren, als er von Auril, die sich für die erste Wache gemeldet hatte, wachgerüttelt wurde. »Was?«, murmelte er verschlafen, doch die Albin legte warnend den Finger auf die Lippen und deutete dann in den Wald. »Horch«, flüsterte sie.
Der Junge hob den Kopf und lauschte angestrengt in die Finsternis hinaus. Und da hörte er es: leises, langgezogenes Wolfsgeheul. Ein kalter Schauer glitt ihm über den Rücken. »Sie sind immer noch hinter uns her …«
Auril nickte. »Ich wecke Bromm. Wir müssen sofort weiter.«
»In Ordnung.« Rasch suchte Tarean seine wenigen Habseligkeiten zusammen, pfiff leise Moosbeere zu sich, die unweit ihres Lagerplatzes in Bodennähe umherschwebte und irgendwelche Käfer beobachtete, und kurz darauf waren sie wieder unterwegs. Die offenkundig trügerische Sicherheit der Wildnis Astrias hatte sie in den letzten zwei Tagen eine eher gemächliche Gangart anschlagen lassen. Nun aber saßen ihnen auf einmal die Wölfe wieder im Nacken, und dieses Wissen trieb sie trotz der wenigen Stunden Ruhe erbarmungslos vorwärts.
Sie eilten einen weiteren Abhang hinab, durchquerten eine zwei Meilen lange Talsohle, und als sie schließlich den nächsten bewaldeten Berghang erklommen, sah Tarean bei einem Blick über die Schulter bereits Bewegungen zwischen den Bäumen am Eingang des Tals. Er fluchte. »Diesmal sind sie uns dicht auf den Fersen!«
Moosbeere umkreiste ihn aufgeregt. »Der Schattenbeschwörer ist bei ihnen«, piepste sie nervös, und es klang
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