Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
überraschend fühlte er sich daher wie gerädert, als er einige Stunden später wieder erwachte.
Ächzend setzte er sich auf, rieb sich die schmerzenden Glieder und sah sich um. Während er offenbar wie ein Stein geschlafen hatte, war die Sonne zum Vorschein gekommen und über den Himmel gewandert. Ihre wärmenden Strahlen fielen schräg in die Schlucht hinein und beschienen ihren Rastplatz. Bromm hatte ein kleines Lagerfeuer angezündet, über dem er eine Reihe der silbernen Fische am Stock briet, und die Albin saß, nur nachlässig in Hemd und Beinkleid gewandet, neben ihm und flocht ihr langes, nasses Haar zu einem Zopf. Offenbar hatte sie die Gunst der Stunde genutzt, sich zu waschen, eine Angelegenheit, die auch Tarean nicht mehr lange vor sich herschieben konnte, wie er naserümpfend feststellte. Augenblicklich jedoch beließ er es dabei, sich zwei hohle Hände Wasser ins Gesicht zu spritzen und zufrieden festzustellen, dass das eisige Nass des Wildbachs seine Lebensgeister weckte.
Kurz darauf saßen sie gemeinsam ums Feuer und aßen den Fisch zusammen mit etwas Brot und Käse, das ihnen Leyda eingepackt hatte. Zum Nachtisch fütterte die unermüdliche Moosbeere den zufrieden auf dem Rücken liegenden Jungen mit Hainbeeren, wobei es sich das Irrlicht nicht nehmen ließ, die Beeren aus immer größerer Höhe in seinen offenen Mund fallen zu lassen. Erst als ihn die erste Beere aus vier Schritt Entfernung auf der Nasenspitze traf, huschte sie kichernd davon, und auch Tarean lachte.
Schließlich rollte er sich herum und blickte seine Gefährten an. »Wie geht es jetzt eigentlich weiter?«
Auril, die mit einem Zweig Kreise auf den Boden gemalt hatte, warf diesen in das kleine Lagerfeuer und meinte dann: »Ich schlage vor, dass wir geradewegs gen Osten wandern. Dann sollten wir in drei Tagen Karno erreichen.«
»Karno? Ist das die nächste Ansiedlung?«
»Karno ist kein Dorf, sondern ein Mann. Ein alter Freund von Bromm und mir. Er ist ein bisschen verrückt, aber ein hilfreicher Verbündeter. Er wird uns mit neuem Proviant versorgen können, und vor allem wird er wissen, wie die Dinge in Undur liegen.«
Tarean nickte. »Das klingt nach einem guten Plan.«
»Dann wäre das also beschlossen«, sagte Bromm, um gleich darauf herzhaft zu gähnen. »Irgendjemand von euch übernimmt die erste Wache«, brummte er und trottete durch den Rankenvorhang, um sich hinzulegen.
»Du«, sagte Auril zu Tarean, während sie sich neben dem Feuer ein provisorisches Lager bereitete und dann ebenfalls der Länge nach ausstreckte, um im warmen Schein der Nachmittagssonne ein wenig auszuruhen.
»Warum ich?«, begehrte dieser auf.
»Weil du wie ein Troll bei Tagesanbruch umgekippt bist, kaum dass wir hier angekommen sind, während andere Leute noch für Feuerholz und etwas zu essen gesorgt haben«, erwiderte die Albin. »Außerdem war ich schneller als du.« Sie schenkte ihm ein kurzes, selbstzufriedenes Grinsen, während sie es sich gleich einer Katze auf einem sonnigen Fenstersims genüsslich räkelnd bequem machte.
Tarean gab brummend sein Einverständnis und lehnte sich ein paar Schritte entfernt an einen bemoosten Stein. Tatsächlich empfand er es als ziemlich überflüssig, einen Wachposten aufzustellen, denn er war sich sicher, dass die Wölfe spätestens beim Überqueren des Drakenskal-Passes ihre Spur verloren hatten, wenn nicht schon im Laufe des Regentages zuvor. Und so war seine Aufmerksamkeit auch keineswegs unablässig auf den unwegsamen Pfad gerichtet, über den sie hierher gekommen waren. Stattdessen wanderte sein Blick den Bachlauf entlang, über die grün-braun verhangenen Felswände, und schließlich blieb er bei Aurils ruhender Gestalt hängen.
Sie hatte die Beine entspannt übereinandergelegt und die Arme unter der Brust verschränkt. Der schwarze Haarzopf schmiegte sich neckisch an die Linie ihres Hemdausschnitts und glänzte im Sonnenlicht. Die Augen der Albin waren geschlossen, und auf ihren Zügen hatte ein Ausdruck von Frieden Einzug gehalten, der die Ecken und Kanten glättete, die sie im Wachzustand stets aufrechtzuerhalten pflegte, wie eine letzte Bastion gegen eine Welt, die in irgendeiner Weise versuchen könnte, ihr Inneres zu berühren.
Tarean spürte, wie sein Herz schneller zu klopfen begann. Sie war so anders als die jungen Mägde und Zofen auf Dornhall, die ihn immer irgendwie an einfältige Schafe oder an hochnäsige Gänse erinnert hatten. Mal ganz abgesehen davon, dass ihm die meisten
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