Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
einen mächtigen Satz vom Bug zum Heck, um den Speer mit dem Keulenende seines Kampfstabes zu zerschmettern. Doch Haffta war schneller. Die Grawlfrau hechtete vor, schwang sich halb über die Reling, und dann blitzte ihr Doppelklingendolch im Sonnenlicht auf. Mit einem raschen Schnitt hatte sie das Tau gekappt.
»Runter!« Iegi riss sie zurück und auf den Boden des Schiffes, nur Augenblicke, bevor drei rotgefiederte Pfeile nondurischer Bogenschützen den Rumpf an der Stelle spickten, an der die Wolfskriegerin soeben noch gehangen hatte.
Mit eingezogenem Kopf rannte Tarean zu den beiden Gefährten und ließ sich neben ihnen in Deckung fallen. »Meinst du, wir können den Trick von vorhin noch einmal wiederholen?«
Der junge Vogelmensch schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Sie dürften mitbekommen haben, was ich getan habe, und werden darauf vorbereitet sein. Und ich möchte ungern das Opfer eines dieser Jagdbögen werden – oder von etwas Schlimmerem, sollte Calvas wirklich dort an Bord sein.«
Erneut donnerten die Speerschleudern. Tarean riskierte einen kurzen Blick und warf sich sofort wieder flach auf die Planken, als er sah, dass die Geschosse diesmal von einem Schauer Pfeile begleitet wurden. Pochend wie Hagelkörner schlugen sie auf Deck ein. Mit zwei kräftigen Schlägen fuhren die Speere ihrer Verfolger links und rechts in den Rumpf.
»Dieses Spiel halten wir nicht mehr lange durch«, schrie Tarean.
»Wir sind fast da«, rief Auril. »Wir dürfen jetzt nicht aufgeben.«
»Ich stifte ein bisschen Verwirrung«, erbot sich Moosbeere und huschte wie der Blitz davon.
»Und ich kümmere mich um diese beiden Taue«, knurrte Iegi. »Gib mir bitte dein Schwert, Tarean.«
»Was hast du vor?«
»Ich zeige diesen Hunden, wozu ein Taijirin fähig ist.«
Er ergriff die dargebotene Waffe, kroch in die Mitte des Schiffes und warf zwei prüfende Blicke auf die Stellen, an denen die Speere im Rumpf steckten. Dann holte er tief Luft, sprang auf und rannte. »Esdurial!«
Während die Klinge in seiner Hand zu fauchendem Leben erwachte, katapultierte sich Iegi hoch in die Luft und über den Rand des Flugschiffes hinweg. Er vollführte eine elegante Schraube, um Kopf und Oberkörper dem Erdboden zuzuwenden, schlug mit dem Schwert einmal zu, breitete die Flügel aus, tauchte unter dem Rumpf hindurch, schlug ein weiteres Mal zu und beendete das atemberaubende, kaum zwei Herzschläge währende Kunststück, indem er sich vom eigenen Schwung wieder zurück an Bord tragen ließ. Ungelenk krachte er gegen die Wandung des Steuerstandes, fluchte und rutschte daran hinab, zurück in Deckung. Links und rechts des Rumpfes fielen die Haltetaue durchtrennt auseinander.
»Nicht schlecht, oder?«, grinste der Taijirinprinz und zuckte dann zusammen, als er seinen linken Flügel zu bewegen versuchte. »Aber das habe ich schon besser hingekriegt.«
»Schon besser?«, echote Tarean fassungslos. »Das war phänomenal. Ardo dürfte ein ganz schön dummes Gesicht machen.« Er schlug dem Freund auf die Schulter, was diesem ein Ächzen entlockte.
»Aua. Vorsicht. Die Landung war etwas hart.«
Neben ihnen stieß Auril einen Freudenschrei aus. »Das war es dann wohl, Goldene Klingen. Willkommen in Durai!«
Tarean hob den Blick, und wirklich sah er die ersten schlanken Türme der Nondurier-Metropole links und rechts an ihrem Schiff vorbeiziehen.
»Fangt mich, wenn ihr könnt«, lachte die Albin und ließ das Heck des Flugschiffes einmal aufreizend hin- und herschlingern. Ihre grünen Augen blitzten abenteuerlustig. »An dieser Niederlage werden die Goldenen Klingen noch lange zu beißen haben.«
Tarean wandte den Kopf, um zu sehen, ob sich ihre Verfolger tatsächlich so leicht geschlagen geben würden – und seine Kehle wurde trocken. »Auril! Ausweichen!«
»Was?« Die Albin wandte sich um und ihre Augen weiteten sich.
Im gleichen Moment schickten die beiden Speerschleudern eine letzte Salve auf ihr Schiff los. Doch diesmal lag es nicht in der Absicht ihrer Verfolger, sie zu fangen. Diesmal wollten sie ihren Tod.
Auril legte das Schiff in eine halsbrecherische Rechtskurve, um einen der Türme zwischen ihr Gefährt und die Geschosse zu bringen. Doch die Luftströmungen zwischen den hoch aufragenden Gebäuden der Stadt wurden ihnen zum Verhängnis. Eine Aufwärtsböe erfasste die Seitenfächer und hob das krängende Flugschiff genau in die Schussbahn der Speere.
Die Wucht, mit der die beiden durch settische Alchemie zur Explosion
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