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Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Titel: Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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aufgehängt, dass es für etwa zwei Drittel der Reiter reichte. Wer sich also im letzten Drittel befand und nicht das unglaubliche Glück hatte, dass einige Vordermänner in der Eile die Stangen mit den Bändern verfehlt hatten, war unweigerlich ausgeschieden.
    Dieses traurige Schicksal wollte Tarean unbedingt vermeiden.
    »Rechts halten, Ro’ik! Wir nehmen eine der inneren Stangen!«, befahl der Junge seinem Greifen. Das Vogelpferd bestätigte mit einem Jagdschrei, legte die Flügel an und donnerte vorwärts.
    Es war ein heikles Unterfangen, denn direkt an die Wegmarke schloss sich die gefürchtete Sturzklamm an, ein halsbrecherisch steil abfallender und von beinahe lotrecht gen Himmel strebenden Gesteinsplatten begrenzter Spalt in der Nordostflanke der Schneespitze, den man – wie sein Name schon sagte – am besten im Sturzflug nahm. Bog man jedoch in einem zu engen Winkel in die Klamm ein, konnte es sehr leicht geschehen, dass man gegen eine der Wände prallte und dabei die Kontrolle verlor. In diesem Fall würde Ro’ik abbremsen müssen, um Tarean und sich nicht in den Tod zu stürzen. Und dann war das Rennen für sie so gut wie gelaufen.
    Nichtsdestoweniger gedachte Tarean das Wagnis einzugehen, denn als ungeübter Reiter würde er in den Tausend Zinnen, einem Felsengewirr, das auf die Sturzklamm folgte, zweifellos genug Zeit verlieren. Wenn er nicht am Weißhorn oder spätestens an der hohlen Klippe vor einer ihrer Siegbänder beraubten Wegmarke stehen wollte, musste er jetzt etwas dagegen unternehmen.
    Ohne langsamer zu werden, preschte Ro’ik auf die Stangen zu. Auch wenn der königliche Greif ansonsten an ihrem Abschneiden in diesem Wettstreit des Mutes und des Geschicks deutlich mehr Anteil als sein Reiter hatte: Hier würde Tarean zeigen müssen, dass er es verdiente, auf seinem Rücken zu sitzen.
    Der Junge atmete tief ein, hielt die Luft an und ließ sich ein wenig nach rechts gleiten. Mit der linken Hand klammerte er sich an Ro’iks festes Nackengefieder, während er mit klopfendem Herzen auf den Moment wartete, mit der Rechten das begehrte Symbol der überwundenen Etappe zu ergreifen.
    Zwanzig Schritt noch. Der kalte Wind ließ Tareans Augen tränen, doch er wagte nicht zu blinzeln, aus Furcht, den entscheidenden Augenblick zu verpassen. Vor ihm rissen Iegi und Raisil zwei Bänder ab und ließen zwei gellende Jagdschreie hören – Nistbruder und Nistschwester im Rausch der Begeisterung vereint.
    Zehn Schritt.
    Fünf.
    Tareans Hand schnellte vor. Er packte zu und jubelte lautstark, als er den roten Wimpel in seiner Faust umklammert hielt. Sofort zog er sich in eine sichere Sitzposition in der Rückenmitte des Greifen zurück, legte sich dann auf Ro’iks Hals und brüllte: »Vorwärts, Ro’ik! Zeigen wir es ihnen!«
    Der Greif galoppierte mit donnernden Hufen auf den schmalen Eingang der Sturzklamm zu, die den Eindruck erweckte, als habe ein Gott seine titanische Axt in die ungeschützte Flanke der Schneespitze getrieben. Das Vogelpferd legte sich in eine halsbrecherische Rechtskurve.
    Dreigötter, steht mir bei! , schickte Tarean ein Stoßgebet zum Himmel.
    Während die Besiegten enttäuscht zurückblieben, warf sich Ro’ik gemeinsam mit seinen fünfundsechzig verbliebenen Artgenossen kreischend in die Sturzklamm. Tarean stimmte einen Herzschlag später in das Geschrei mit ein, ein Laut, halb aus dem Rausch der Geschwindigkeit, halb aus schierer Todesangst geboren. Um sie herum taten es ihnen Greifen und Greifenreiter gleich, sodass eine ohrenbetäubende Kakophonie, vielfach von den schmalen, hohen Wänden zurückgeworfen, ihren rasanten Sturzflug begleitete.
    Viel zu schnell huschten die Felswände an Tarean vorüber, graue Schlieren am Rande seines Sichtfelds. Felsvorsprünge tauchten vor ihnen auf und waren bereits wieder hinter ihnen zurückgeblieben, bevor der Junge auch nur erschrocken die Augen aufreißen konnte. Er musste sich ganz auf das Geschick Ro’iks verlassen, der sich nicht nur ungebremst in die Tiefe fallen ließ, sondern mit kurzen, engen Flügelschlägen ihre Geschwindigkeit sogar noch erhöhte. Tarean erkannte, was der Greif vorhatte: Er schien den Vorteil nutzen zu wollen, den sein menschlicher Reiter ihm bot. Denn im Gegensatz zum Federkleid eines Taijirin setzte der schlanke Körper eines Flachländerknaben der Luft kaum Widerstand entgegen.
    »Etwas nach unten«, schrie Tarean dem Vogelpferd zu, als er eine Lücke zwischen den ihnen vorausfliegenden Greifenreitern

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