Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
die Gefahr eines zweiten Bromms, in dessen Adern der Fluch des Grimmwolfs brannte. Der Junge sah seinen Gefährten ernst an. »Ich verspreche es.«
Zur etwa gleichen Zeit befanden sich Tarean, Auril, Fenrir und die beiden Taijirinsoldaten ungefähr hundert Meilen nördlich von Nonuada. Der Junge schätzte, dass sie die Hafenstadt in den Mittagsstunden des nächsten Tages erreichen sollten, sofern sie nicht durch unvorhergesehene Zwischenfälle aufgehalten wurden.
Das Land zu ihren Füßen wirkte rau und unwirtlich. Überall lag schwarzes Gestein herum, erkalteter Niederschlag der Feuer speienden Berge der Glutlande. Gras und Sträucher wirkten struppig und hatten eine ungesunde Braunfärbung. Und die wenigen Bäume, an denen sie vorüberflogen, erinnerten Tarean mit ihren kräftigen, von dicker Borke überzogenen Stämmen an wettergegerbte Männer, die ihrer kargen Heimat allein mit Willenskraft und Zähigkeit ein bescheidenes Dasein abtrotzten.
Leben gab es hier kaum. Während am Rand der Steppe und vor allem entlang der Ufer des Rêd-Flusses zahlreiche Bauern und Viehzüchter zu finden gewesen waren, erblickten die Gefährten an diesem trostlosen Ort nur sehr vereinzelt Spuren nondurischer Besiedelung. Einmal überflogen sie ein einsames Gehöft, an das einige unbestellte Felder angrenzten. Gegen Mittag kamen sie an ein paar heruntergekommenen Häusern vorbei, die eng zusammengedrängt in einem Tal unweit der Handelsstraße beieinander standen, wie Schafe, die inmitten der Wildnis den Schutz der Gemeinschaft suchten. Schließlich fiel ihnen eine Herberge am Wegesrand auf, ein wenig vertrauenerweckendes Gebäude aus schwarzem Stein, an das sich einige Holzschuppen anschlossen. Erstaunlicherweise standen mehr als ein Dutzend Reittiere davor, und einige Nondurier beluden gerade einen Karren mit langen Holzstangen, die Tarean beim zweiten Hinschauen entgeistert als Projektile einer Speerschleuder erkannte. Die dazugehörige Waffe konnte den Schleudern an Bord der Flugschiffe der Goldenen Klingen nur um wenig nachstehen – wenn sie nicht sogar noch größer war.
» Der schwarze Drache «, erklärte Fenrir, als er die Blicke der anderen bemerkte. »Ein Treffpunkt für Drachenjäger. Hier versammeln sich die Wagemutigen und die Lebensmüden, bevor sie in die Glutlande aufbrechen. Es soll im Schankraum eine ganze Wand mit hölzernen Tafeln geben, auf denen die Namen derer geschrieben stehen, die nicht von dort zurückgekehrt sind.«
»Das klingt nicht sehr ermutigend«, bemerkte Tarean.
»Niemand hat behauptet, dass eine Reise durch die Glutlande ein Spaziergang werden würde«, sagte der Nondurier. »Aber im Gegensatz zu diesen dort unten suchen wir die Drachen ja nicht, sondern wollen ihnen aus dem Weg gehen.«
Unwillkürlich warf Tarean Auril einen Blick zu. Einen ganz ähnlichen Vorsatz schien die Albin am heutigen Tag in Bezug auf ihn gefasst zu haben. Seit sie losgeritten waren, hatte sie kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Der Junge fragte sich, ob das mit seinem unerwarteten Auftauchen zu tun hatte oder ob sich während des einen Tages, den er von der Gruppe getrennt gewesen war, irgendein Vorfall ereignet hatte. Ich hoffe, Tarean hat nichts gesagt oder getan, was ich nun für ihn bereue, sinnierte er, und es fühlte sich irgendwie merkwürdig an, über sich selbst wie über einen Fremden nachzudenken. Er beschloss, so bald wie möglich eine Antwort darauf zu finden.
An diesem Abend machten ihm allerdings die zwei Vogelmenschen einen Strich durch die Rechnung. Fern der Aufsicht durch Shariik und ihren Hauptmann wurden die beiden zunehmend ausgelassener, und als sie feststellten, dass sie in Auril eine dankbare Zuhörerin gefunden hatten, fingen sie an, in epischer Breite von ihren Taten während der Schlacht um At Arthanoc zu erzählen – denn natürlich hatten sie an dem Großen Ritt der Taijirin teilgenommen. Das wiederum führte sie dazu, Tarean zu bedrängen, von seiner eigenen Reise zur Feste des Hexers zu erzählen, eine Bitte, welcher der Junge schließlich mit ergebener Miene nachkam. Als er bei den Abenteuern anlangte, die er in Agialon erlebt hatte, und davon berichtete, wie er mit Bromm und Auril vor den Wolflingen geflüchtet war, bemerkte er auf einmal, dass die grünen Augen der Albin still auf ihm ruhten. Er schenkte Auril ein kurzes Lächeln, und ihm war, als würden ihre Züge für einen Moment weicher.
Um die Mittagsstunde des nächsten Tages näherten sie sich Nonuada. Fenrir ließ die
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