Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Licht und seine Kraft mit leisem, bösartigem Zischen in sich aufzusaugen.
Erst als auch die letzten Reste goldenen Lichts erstickt worden waren und die Kugel stumpf und leblos wirkte wie ein seit Langem erloschener Stern, endete das schaurige Schauspiel.
Triumphierend hob Calvas den Stab hoch über den Kopf. Dann wirbelte er ihn in einer kreisenden Bewegung herum und ging in Angriffsstellung. Eine Fahne aus feinem Staub schwebte dort, wo der Stab soeben rauschend die Luft durchschnitten hatte, löste sich in schwarzen Qualm auf und zerfaserte träge in dem kaum spürbaren Luftzug, der durch den Felsendom wehte. »Komm nur.«
Tarean verlagerte sein Gewicht auf das hintere Bein und richtete das weiß brennende Schwert in Kopfhöhe auf den Gegner, bereit, zuzuschlagen oder sich zu verteidigen. Die Überraschung des ersten Augenblicks war überwunden und nun, da er das Unvermeidliche erkannt und akzeptiert hatte, war auch jedes Anzeichen von Furcht aus seinem Antlitz gewichen. Mit kalter Entschlossenheit erwiderte er den brennenden Blick seines Feindes.
Für einen Moment standen sich die beiden Kontrahenten schweigend gegenüber.
Dann eröffnete der Junge den Kampf.
Mit einem weiten Ausfallschritt warf er sich dem Hexer entgegen und führte sein Schwert gegen dessen Kopf. Rasch trat Calvas zur Seite und hielt schützend den schwarzen Stab zwischen sich und die brennende Klinge. Klirrend prallten die beiden Waffen aufeinander, und schwarzer Qualm vermischte sich mit weißem Licht.
Ein dunkler Gigant mit glutroten Augen.
Gewaltige Hallen voll Finsternis.
Und plötzlich naht ein Heer von Dämonen,
und ich vergehe in weißem Licht!
Es war alles so gekommen, wie das Wasser des Sehens es Auril prophezeit hatte. Es gab kein Entrinnen. Es hatte nie eines gegeben. Das war der Preis, den man zahlen musste, wenn man sich erdreistete, einen Blick in die Zukunft werfen zu wollen. Das war Auril spätestens bewusst geworden, als ihr Tareans Zwilling seine beiden Waffen angeboten hatte, Waffen, die sie in ihrer Erinnerung im Kampf gegen die Dämonen geführt hatte, kurz bevor alles vorbei gewesen war. Doch Auril war bereit, sich in die Rolle zu fügen, die ihr das Schicksal zugewiesen hatte. Bromm hatte überlebt. Das war ein unerwartetes Geschenk gewesen. Alles andere mochte kommen, wie es kommen musste.
Sie stand gemeinsam mit Bromm, Haffta und Fenrir in einer Reihe, die Waffen gezogen und zum Äußersten bereit, um den Korridor zu halten und Tarean zu beschützen, dem es irgendwo in ihrem Rücken hoffentlich gelingen würde, das Bannsiegel zu brechen, das die Kristalldrachen einsperrte.
Vor ihnen jagte mit der Gewalt einer Lawine eine albtraumhafte Meute riesiger Ungeheuer heran. Zähne, Klauen und Mandibeln blitzten. Ein Brüllen, Fauchen und Heulen drang aus mehr als einem Dutzend Kehlen und vereinte sich zu einer schier unerträglichen Kakophonie. Dazu kamen das Stampfen schwerer Schritte und das Klacken harter Chitinglieder. Eine Welle aus Gestank wehte dem Dämonenheer voraus, ein Unheil verheißender Odem aus Rauch und Schwefel.
Auril hob den Drachenstab und Esdurial, und ihre Hand verkrampfte sich vor Anspannung um den Griff des machterfüllten Schwertes. Doch auf einmal kamen der Albin Zweifel. Bromm und Haffta waren nicht gestorben. Dabei war sie sich so sicher gewesen, genau das in ihrer Vision gesehen zu haben. Aber was habe ich wirklich gesehen? Einen Bären, der einem Wolfling zu Hilfe eilt. Und dann hat eine Wand aus Drachenfeuer meinen Blick auf beide versperrt. Genau so war es geschehen. Nur hatten Bromm und Haffta nicht inmitten des alles vernichtenden Feuers gelegen, sondern dahinter. Habe ich mich von meiner eigenen Angst verführen lassen, das Gezeigte falsch zu verstehen?, fragte sich Auril unvermittelt.
Und plötzlich naht ein Heer von Dämonen, und ich vergehe in weißem Licht!
Vor ihr stürmte die Horde unheiliger Geschöpfe näher. Haffta knurrte nervös und fletschte die Zähne. Fenrir hatte die Augen zu Schlitzen verengt und den Bogen erhoben. Er wartete nur darauf, den Ungetümen den ersten und vorletzten seiner feurigen Grüße aus Settland entgegenzuschicken. Bromm stieß ein herausforderndes Röhren aus und reckte drohend die Pranken in die Höhe.
Und ich vergehe in weißem Licht … Auril runzelte die Stirn. Was, wenn ich auch dieses Bild falsch gedeutet habe? Sie versuchte sich die Vision ins Gedächtnis zu rufen, die sich ihr an Bord des Flussschiffes auf dem Riva eingebrannt hatte.
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