Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Die Gewalt ihrer Angriffe überraschte Tarean selbst. Es war, als kämpften hier nicht mehr nur ein Knabe und der untote Geist eines Hexers gegeneinander, sondern als wären sie kaum mehr als Gefäße, in die höhere Mächte all ihre Kraft ergossen. Was tut ihr uns an, Kesrondaia?
Doch ihm blieb keine Zeit für weitere Gedanken, denn der Hexer gewährte ihm diesmal keine Atempause. Wieder und wieder drang er auf ihn ein, ließ den einstmaligen Drachenstab um seinen Körper kreisen und schlug mit furchtbarer Kraft und Schnelligkeit zu. Und mit jedem Mal, da Schwert und Stab hell klingend aufeinandertrafen, stieg mehr schwarzer Qualm in die kalte Höhlenluft auf, verpestete sie mit fauliger, dunkler Magie und hüllte Tarean in einen dunstigen Schleier.
Der Junge hustete, und für einen Herzschlag trübte sich sein Blick, als ihm das beißende Hexenwerk die Tränen in die Augen trieb. Er zwinkerte, und diesen Moment nutzte Calvas, um einen donnernden Schlag auf seiner rechten Schulter zu landen. Tarean schrie auf und hätte beinahe das Schwert fallen gelassen. Er spürte, wie sein Arm taub wurde, aller Magie, die darin fließen mochte, zum Trotz. Es fiel dem Hexer leicht, seinen nächsten, schwach geführten Streich abzuwehren.
»Du kannst nicht gewinnen.« Hasserfüllt spuckte der Hexer die Worte aus, schleuderte sie ihm wie Waffen entgegen. »Du hast mich auch letztes Mal nicht alleine bezwingen können.«
»Ihr unterschätzt die Macht des Schicksals«, gab Tarean mit grimmigem Lächeln zurück. »Mag sein, dass Ihr Euch für klug und listenreich haltet, und doch vermögt Ihr niemals, alles zu sehen. Selbst wenn Ihr mich besiegt, werdet Ihr scheitern!«
»Letzte Worte eines Todgeweihten!«
Der Dunkle hob die Hand, sprach ein Wort der Macht, und der nächste Schlag traf Tarean mit entsetzlicher Gewalt. Er wurde zu Boden geworfen und schrie gepeinigt auf, als er spürte, wie sich spitze Felsbrocken in seinen Rücken bohrten. Kesrondaia, hilf mir! Er versuchte sich aufzurappeln, doch schon war sein Feind über ihm und schlug erneut zu. Und wieder. Und wieder.
Kesrondaia …
Tarean spürte, wie ihm die Sinne schwanden und eine furchtbare Dunkelheit ihn zu verschlingen drohte. Scheppernd entglitt Esdurial seiner kraftlosen Rechten, und sofort ließ das gleißende Strahlen der Klinge nach, verging wie eine Flamme, der es an Nahrung mangelt. Der Junge lag mit dem Rücken halb auf einem der schwarzen geborstenen Steinblöcke. Calvas stand über ihm, streckte ihm die linke Hand entgegen, und eine unsichtbare Kraft fesselte Tarean an den Boden. Ich darf nicht aufgeben! Um Aurils willen darf ich nicht aufgeben!
Noch einmal sammelte er alle verbliebenen Kräfte und versuchte, sich in einem zornigen Aufbäumen aus dem Griff des Hexers zu lösen. Doch er war nicht stark genug.
Das graue Antlitz zur Fratze verzogen, riss Calvas die Arme hoch, und eine unsichtbare Titanenfaust wuchtete Tarean in die Höhe. »Jetzt spüre die geballte Macht, die mir der Herr der Tiefe verliehen hat«, rief der Hexer. Dann ließ er seine Arme wieder hinabfahren und warf den Jungen dadurch krachend zu Boden.
Ein heißer Schmerz durchflutete Tareans Körper, und es fühlte sich an, als sei sein ganzer Leib zerschmettert. Das Feuer, das durch seine Beine, seine Arme, seinen Rücken toste, verzerrte sein Gesicht zu einer Grimasse. Ein letzter Funken Widerstand brannte noch in seinen Augen, aber Tarean wusste, dass er nichts tun konnte, um das Unvermeidliche zu verhindern. Mit einem Mal brach die schreckliche Erkenntnis über ihn herein, dass er sich einmal mehr verschätzt hatte. Calvas hatte ihn erneut besiegt. Und diesmal eilte niemand im letzten Augenblick zu seiner Rettung heran, denn all seine Gefährten kämpften selbst um ihr Leben. Tareans Gedanken wanderten zu der Frau, mit der er nur viel zu kurz hatte glücklich sein dürfen. Doch es tröstete ihn, dass ihnen zumindest einige wenige Tage vergönnt gewesen waren. Auril …
Ein letztes Mal hob er den Blick, während der Hexer scheinbar turmhoch über ihm aufragte. Er sah, wie Calvas den verpesteten Drachenstab hob, das untere Ende wie eine Speerspitze auf Tareans Brust gerichtet. Dann fuhr die Waffe herab, durchbrach den ledernen Harnisch der Vogelmenschen und rammte sich direkt in Tareans Herz.
… vergiss mich nicht …
Das Licht Esdurials flackerte ein letztes Mal auf, dann erlosch es.
Und Calvas hob zu einem triumphierenden Lachen an, das den gesamten Felsendom
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