Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Wirklichkeit um dicke, krumme Arme handelte, die dem gedrungenen Geschöpf knapp unterhalb des halslosen Schädels aus dem stämmigen Rumpf wuchsen. Scharfe Klauen wie polierter Schwarzkristall glänzten am Ende der dreifingrigen Hände, und tief liegende, gelblich glühende Augen richteten sich tückisch glitzernd auf den Jungen.
Tarean blieb gerade noch die Zeit, das Schwert zu heben, dann hetzte das zwergenhafte Scheusal bereits knurrend den Schuttwall herunter und auf ihn zu.
In seinem Rücken vernahm der Junge ein weiteres Knurren, und dann stimmte eine dritte Kehle mit ein. Überall um sie herum erwachte das Trümmerfeld zum Leben. Steinstaubbedeckten Felsbrocken wuchsen urplötzlich Arme und Beine, und arglos inmitten des Gerölls liegende Steinblöcke öffneten die Augen und entblößten breite Mäuler voll unregelmäßiger schwarzer Zähne, die wie scharfe Kristallsplitter auf den Zinnen einer Burg glitzerten.
»Esduri…«, wollte Tarean rufen, doch der Schrei des Irrlichts unterbrach ihn.
»Nein!«, rief Moosbeere aufgeregt. »Du darfst seine Macht nicht entfesseln. Nicht an diesem Ort.«
»Ich … was?!«
»Das Gleichgewicht darf nicht gestört werden. Vertrau mir einfach!«
Der Junge verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Wunderbar. Einfach wunderbar.«
Für einen kurzen Moment wünschte sich Tarean, er könne Ro’ik erreichen und mit dem Greifen einfach fliehen. Doch dafür war es bereits zu spät, denn von allen Seiten drangen die zu kurz geratenen Abscheulichkeiten auf sie ein.
Dem ersten Monster, das auf Hüfthöhe angeflogen kam, wich er mit einer halben Drehung nach links aus. Einem zweiten rammte er die blanke Klinge Esdurials direkt in den weit aufgerissenen Rachen. Bei dem Versuch, einen dritten Angreifer durch einen beherzten Tritt davonzuschleudern, machte er eine höchst schmerzhafte Entdeckung. Als seine Fußspitze schwungvoll auf den stämmigen dunkelgrauen Leib des Geschöpfs traf, fühlte es sich an, als habe er gegen einen Stein getreten. Fluchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht zog Tarean das Bein zurück, während sein Gegner zwar ein paar Schritt zurückkugelte, sich aber sogleich wieder aufrappelte, mit einem Schütteln des halslosen Kopfs jedwede Benommenheit abstreifte und sich danach erneut auf den Jungen stürzte.
Tarean wehrte zwei seiner angriffslustigen Gegner mit der Schwertklinge ab, wobei er seine plötzliche Befürchtung bestätigt sah, dass die kleinen Kerle mit den hünenhaften Unterirdischen, die er in Tiefgestein kennengelernt hatte, eine tatsächlich unangenehme Eigenschaft teilten. Auch ihr Körper bestand aus Stein oder war zumindest von einem Steinpanzer überzogen, denn Esdurial prallte Funken schlagend von ihren dicken Schädeln ab, ohne viel mehr als eine Kerbe zu hinterlassen.
»Was sind das für dreigötterverfluchte Kobolde?«, schrie der Junge zornig.
Doch weder Moosbeere noch Ro’ik antworteten ihm. Das Irrlicht hatte sich, nach zwei, drei völlig wirkungslosen Nadelstichen auf die Spitze eines der Monolithen zurückgezogen, und ihr schrilles Stimmchen gellte wie eine Alarmglocke durch die ruhige Ruinenlandschaft: »Hilfe! Tarean braucht Hilfe! Lebt hier jemand, der kein Kobold ist?«
Der Greif war unterdessen vollauf damit beschäftigt, sich seiner eigenen Haut zu erwehren, denn noch bevor es ihm gelingen konnte, sich in die Luft zu erheben, hatte sich der erste Kobold bereits in seiner Flanke verbissen. Mit wütend zuschlagendem Kopf hackte das Vogelpferd mit seinem scharfen Schnabel auf den Angreifer ein und trieb ihn in die Flucht. Gleichzeitig versuchte der Greif mit wildem Aufstampfen seiner breiten Hufe die um seine Beine wuselnden Scheusale abzuschrecken.
Ein kleiner, massiger Körper traf Tarean direkt an der Brust und ließ ihn nach hinten taumeln. Einer der Kobolde hatte sich schwungvoll gegen ihn geworfen und klammerte sich nun an seinen Lederharnisch, während sich sein gierig zuschnappendes Maul dem ungeschützten Hals des Jungen näherte.
Mit einem Aufschrei hieb er dem Ungeheuer den Knauf von Esdurial zwischen die Augen – und als das nichts zu bewirken schien, konzentrierte er sich auf die dunklen Augenhöhlen selbst. Der vierte Schlag erzeugte ein leises Splittern wie von Glas und entlockte dem Kobold ein gepeinigtes Grollen. Sofort ließ er sich zu Boden fallen und hetzte knurrend davon.
Doch selbst dieser kleine Triumph bot Tarean keineswegs die ersehnte Verschnaufpause. Im nächsten Moment schon kamen drei Brüder
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