Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Drachenstäbe, die wir besitzen. Sie stammen aus einer Zeit, in der unser Volk im Zwist mit den Völkern der Glutlande lag. Damals schufen wir Artefakte, die es uns ermöglichten, den dort lebenden Drachen die Stirn zu bieten. Doch irgendwann zogen wir Richtung Norden, und die Stäbe verloren an Bedeutung. Einige gaben wir an unsere Verbündeten weiter, die Kraft anderer versiegte im Laufe der Jahrhunderte. Dieser hier ist der mächtigste, den wir noch in unseren Schatzkammern bewahren.« Er reichte ihn dem Jungen.
Tarean nahm den Stab entgegen und stellte verblüfft fest, wie leicht er war. Obwohl dem Anschein nach vollständig aus Metall gegossen, wog er kaum mehr als Esdurial. Der matt glänzende Schaft war mit einem Muster eingravierter Runen überzogen, und an der Spitze des Stabes ruhte – ähnlich wie bei den Licht spendenden Stabkristallen – ein glitzernder bernsteinfarbener Edelstein, der allerdings kaum den Umfang von Tareans Faust hatte.
»Das wäre während der Schlacht um At Arthanoc eine willkommene Waffe gewesen, um Igarkjuk zu begegnen«, bemerkte Tarean, während er den Drachenstab in die Linke wechselte und mit einem hellen Klingen auf dem Felsboden abstellte.
Câch’drokk blickte ihn für einige Herzschläge stumm an. »Möglicherweise«, gestand er. »Doch zu diesem Zeitpunkt war unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Grimmwolf gerichtet. Außerdem vermag der Stab nur, einen Drachen abzuwehren. Er kann ihm keinen Schaden zufügen. Und der Schutzkreis der Alten Macht, die ihm innewohnt, schließt auch nur eine kleine Gruppe ein, kein vieltausendköpfiges Heer.«
»Wie genau schützt der Stab vor einem Drachen?«, wollte der Junge wissen.
»Wenn du die in ihm schlummernde Alte Macht entfesselst, wird der Kristall an seiner Spitze zum Leben erwachen. Er wird eine starke Aura der Abwehr errichten, die jeden Drachen, der dir und deinen Gefährten zu nahe kommt, so stark verwirrt, dass es ihm unmöglich ist, euch anzugreifen – sofern ihr alle nah beieinanderbleibt«, erklärte der Unterirdische. »Doch kommen wir zu unserem zweiten Geschenk, dem Wegfinder.« Er hob die glimmende Kugel in die Höhe. »In diesem Kristall ist das Blut der Dunkelreiche eingeschlossen. Es strebt danach, wieder in den Adern zu fließen, denen es entrissen wurde. Daher wird seine Glut umso stärker brennen, je näher es sich den Dunkelreichen fühlt. Noch ist der Glanz schwach, daher schau genau hin, wenn ich es dir zeige.«
Câch’drokk hielt die Kugel am ausgestreckten Arm vor sich und drehte sich langsam um die eigene Achse. Und wirklich glaubte Tarean zu erkennen, dass die Flüssigkeit im Inneren der Kugel mal stärker und mal schwächer zu leuchten schien. Der Steinmensch bewegte sich ein wenig hin und her und hielt schließlich mit Blick auf die Südwand des Felsendoms inne. Der Wegfinder in seiner Hand glomm wie die Asche eines niedergebrannten Feuers. »In dieser Richtung liegen die Dunkelreiche«, verkündete er. Dann ließ er den Arm sinken. »Aber bis zur Grenze der Glutlande wirst du dieses Kleinod nicht benötigen. Bis dorthin findest du leicht, wenn du nur den Bruch hinab, durch Nondur und die Steppe stetig nach Süden wanderst. Irgendwann wird das Land schwarz und steinig werden, und an vielen Stellen fließt das Blut der Erde offen an der Oberfläche. Die Luft ist schwer und von den Ausdünstungen der Tiefe erfüllt, und von den Bergen hallt das Brüllen der Drachen wider.«
»Weißt du was, Tarean? Ich glaube, wir sollten umkehren und in die Stadt der Flattermänner zurückkehren«, meldete sich Moosbeere zu Wort. »Je länger ich zuhöre, wie dein Freund die Vorzüge unseres Reiseziels preist, desto mehr habe ich das Gefühl, dass die Wolkenberge doch ein ganz schöner Ort waren.«
Tareans Mundwinkel zuckten, aber mehr als ein dünnes Lächeln brachte er nicht zustande, denn tief in seinem Herzen stimmte er dem Irrlicht zu. Die Glutlande klangen wirklich nicht sonderlich einladend. Doch derlei Zweifel enthoben sie keinesfalls ihrer Aufgabe. »Tut mir leid, Moosbeere«, sagte er daher. »Ich habe eine Verpflichtung übernommen, der ich mich nicht entziehen darf. Kesrondaia zählt auf uns.«
Das winzige Geschöpf ließ einen theatralischen Seufzer hören.
»Hier.« Câch’drokk überreichte dem Jungen den Wegfinder, ohne im Geringsten auf das Wortgeplänkel der beiden einzugehen. »Und nun solltest du dich wieder auf den Weg machen. Denn mehr können wir nicht für dich tun. Gerne hätten wir dir
Weitere Kostenlose Bücher