Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
auf Dornhall gehaust hatten und wahrscheinlich noch hausten. Aber seine bisherigen Erlebnisse mit deren riesenhaften Verwandten im Alten Wald und im Cerashmon hatten ihn nicht unbedingt freundschaftliche Gefühle für die achtbeinigen Krabbeltiere entwickeln lassen. Dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte, hatte ihm die Waldspinne, in deren Netz sich Goldblüte verfangen hatte, sehr deutlich zu verstehen gegeben.
Am Morgen des zweiten Tages ihrer gemeinsamen Wanderung erreichten sie eine natürliche Barriere aus Gestrüpp, die sich etwa fünf Schritt in die Höhe erhob und so weit das Auge reichte den Weg vor ihnen versperrte. Tarean spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten. Es lag eine deutliche Spannung in der Luft, wie sie allen Orten zu eigen war, an denen sich die Alte Macht ballte.
»Das ist das Dornkraut«, erklärte Goldblüte fröhlich. »Es umgibt und beschützt meine Heimat. Komm schnell, jetzt ist es nicht mehr weit.« Das Irrlicht huschte davon und tanzte zwischen den dunkelgrünen, dicht verschlungenen Ranken umher, die, ihrem Namen alle Ehre machend, von mitunter fingerlangen Dornen geziert wurden.
Tarean seufzte leise. Warum war es eigentlich niemals leicht? Wieso lagen die Ziele seiner Reisen eigentlich immer hinter schier unüberwindbaren Hindernissen verborgen, statt einfach mal nur am Ende eines Pfades, den man bequem mit Pferd oder Kutsche erreichen konnte? Vielleicht, weil ich immer wieder an Orte gehe, die Menschen verschlossen bleiben sollten , gab er sich selbst die Antwort. Er hatte sich in den letzten Wochen mehr als einmal gefragt, wann er begonnen hatte, diesen Umstand als normalen Teil seines neuen Lebens anzusehen. Vermutlich war es das Angebot Kesrondaias gewesen, ihn zum ersten der neuen Ritter des Ordens der Kristalldrachen zu ernennen, das ihm die Augen geöffnet hatte. Ein Leben, wie es sein Ahn auf Burg Dornhall im Almental führte – ruhig, beschaulich und weitgehend frei von Abenteuern –, würde Tarean wahrscheinlich niemals beschieden sein. Aber ich habe diesen Pfad gewählt, oder nicht? Also wäre es vermessen, sich jetzt zu beschweren, weil er manchmal etwas mühsam ist.
»Kommst du oder träumst du, Riese?«, holte ihn aus dem Dickicht ein helles Stimmchen aus seinen Gedanken zurück. Goldblüte war bereits ein gutes Dutzend Schritt in das Dornkraut vorgedrungen und schwebte nun, einem winzigen Leuchtfeuer gleich, in der Dunkelheit. »Na, ich fliege schon mal vor. Wir sehen uns auf der anderen Seite.«
Das brachte Leben in Tareans Körper. »Nein, warte, Goldblüte!«, rief er und eilte seiner flinken Begleiterin hinterher. Einen Moment lang hielt er unschlüssig vor dem Gestrüpp inne, und sein Blick irrte suchend umher, um eine halbwegs lichte Stelle zu finden. Als er feststellte, dass die Hecke überall gleich undurchdringlich wirkte, zuckte er ergeben mit den Schultern und zog Esdurial, um sich seinen Weg durch die Dornenranken einfach freizuschlagen. Zwei Herzschläge lang wog er die machterfüllte Klinge in der rechten Hand. Dann schob er sie in die Scheide zurück und schnallte Wilferts Schwert vom Rücken. Es erschien ihm irgendwie unangemessen, eine magische Waffe dazu einzusetzen, Unkraut zu hacken.
Mit wuchtigen Schlägen durchtrennte er Zweige und Ranken und schob sich dabei Schritt für Schritt vorwärts. Dornen ritzten seine Haut und zerrten an seinem Kapuzenmantel, doch der Junge ließ sich davon nicht beirren. Er war nicht tagelang durch den Cerashmon marschiert, um sich kurz vor dem Ziel von einer Hecke aufhalten zu lassen.
Als sich die erste dünne Ranke um seinen Unterschenkel wickelte, hielt Tarean das noch für ein zufälliges Ereignis. Er riss sich mit einem Ruck los und stapfte weiter. Im nächsten Moment zupfte ihn etwas am linken Arm, und er bemerkte, dass er sich in einem kleinen Geflecht dünner Zweige verfangen hatte. »Was zum …«, setzte er zu einem Fluch an, hob das Schwert in seiner Rechten und trennte die Pflanzenarme mit einem sauberen Streich durch.
Er wandte sich um, machte einen Schritt nach vorn und blieb an einer festen Wurzel hängen. Mit einem Aufschrei vollführte er eine halbe Drehung und fiel rücklings mitten ins Gestrüpp. Schlanke Dornen bohrten sich schmerzhaft in seine ausgestreckten Arme, und er war froh über seine aus zähem Leder gefertigten Beinkleider und den festen Vogelmenschenharnisch, die ihn schützten. »Bei allen Dämonen der Dunkelreiche!«, schrie er wütend und versuchte sich strampelnd zu
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