Target 5
Eisberg, der in der Grönland-Strömung driftete, mit einer Geschwindigkeit von 20 Meilen am Tag. Der Hohleisberg war trotz des Zusammenstoßes noch nicht zusammengefallen. Beaumont brach als erster das Schweigen; alle Männer auf der Brücke starrten ihn an, als hätten sie nicht erwartet, jemals wieder eine menschliche Stimme zu hören.
»Jetzt werden wir uns mit dem Eisberg treiben lassen müssen, Schmidt. Keine Wahl!«
»Keine Wahl«, stimmte Schmidt ihm grimmig zu. »Und wir warten nur, bis das Ding über uns zusammenbricht.«
»Ihre Motoren haben ausgesetzt!«
Kramers Stimme klang alarmiert und verwirrt, und Papanin verließ die Brücke mit dem Balten, um nach unten zu gehen und selbst in der Hydrophon-Abteilung nachzusehen. Der Matrose, der in Unterhemd und Shorts an dem Gerät horchte, schaute auf, als Papanin hereinkam. »Kramer erzählt mir, daß Sie sie nicht mehr hören können. Stimmt etwas mit Ihrem Gerät nicht?«
»Nein. Ihre Motoren laufen nicht mehr. Wir empfangen keine Echoanzeigen.«
»Aus welcher Entfernung?«
»Eine Meile, vielleicht noch näher…«
»Vor zehn Minuten waren sie genauso weit entfernt!« Papanin warf Kramer einen wütenden Blick zu. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu! Vor zehn Minuten waren sie schon eine Meile entfernt. Ihre Motoren liefen noch vor ein paar Sekunden. Und sie sollen immer noch eine Meile entfernt sein? Das ist nicht möglich! Wir driften – sie fahren in südlicher Richtung. Sie müssen uns näher gekommen sein!«
»Aber es stimmt«, sagte der Matrose.
»Das kann nicht stimmen – technisch unmöglich!« tobte der Sibirier.
»Mir ist das auch ein Rätsel«, begann der Matrose.
»Das nutzt mir viel!« Papanin verschränkte die Arme und beobachtete den Seemann. »Wenn Sie sich mit der Strömung treiben lassen, könnte es stimmen – wir würden in derselben Entfernung voneinander bleiben. Aber sie lassen sich nicht treiben! Sie haben das Geräusch ihrer verdammten Motoren aufgezeichnet!«
»Klar und deutlich – bis vor einer Minute.«
»Wie erklären Sie sich das?« Papanin zeigte auf die Hydrophon-Ausrüstung. »Es ist Ihre Aufgabe, das zu erklären.«
»Kann ich nicht…«
Der Sibirier sagte nichts. Er stand da mit verschränkten Armen und versuchte, das Gefühl der Ohnmacht zu überwinden. Als er wieder anfing zu reden, war sein Ton so gelassen, daß es dem Matrosen Angst einjagte. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen – bleiben Sie an Ihrem Kopfhörer.« Er wandte sich an Kramer.
»Da sie so nah sind, schicken Sie den Hubschrauber hoch. Der Pilot kehrt nicht eher zurück, bis er die Elroy gefunden hat.«
Die Elroy, die auf ihrem Riesentransporter festsaß, von zwei zusammengekoppelten Eisbergen eingezwängt, driftete weiter mit der Strömung nach Süden. Sie driftete viele Stunden lang, zeitlose Stunden, denn die Männer, die innerhalb des Eises gefangen waren, hatten keine Möglichkeit mehr, die Uhrzeit exakt festzustellen.
Zuerst schien es unglaublich, so unmöglich, daß Schmidt angeordnet hatte, jeden Zeitmesser an Bord des Schiffes zu kontrollieren. Aber als die Kontrolle durchgeführt worden war, mußten sie feststellen, daß das Unglaubliche wahr war: Jede Uhr und Armbanduhr war stehengeblieben, wahrscheinlich durch irgendeine seltsame Vibration, die im Augenblick des Zusammenstoßes der beiden Eisberge durch das Schiff gelaufen war. Man suchte verzweifelt nach einer richtiggehenden Uhr. Aber es gab keine.
Sie waren daher gezwungen, die Uhrzeit zu schätzen. Von diesem Zeitpunkt an enthielt das Logbuch des Schiffes ungewöhnliche, ungenaue Eintragungen. »Ungefähr achtzehn Uhr…«
»Zirka zweiundzwanzig Uhr…« Daß sie die Uhrzeit nicht wußten, ging den Männern allmählich auf die Nerven; die Nähe des Hohleisberges ging ihnen auf die Nerven, und das Wissen darum, daß jede Sekunde Millionen Tonnen von Eis auf sie herabstürzen und das Schiff und sie alle plattdrücken könnten.
Nichts konnten sie tun, nichts gab es, was sie zu tun wagten. Jede sonst übliche Arbeit blieb liegen: Sie konnten sich noch nicht einmal damit beschäftigen, das restliche Eis an Deck über Bord zu werfen, da sie Angst hatten, ein unvorhersehbares Echo vom Hämmern eines Werkzeuges könnte gerade ausreichen, den Koloß zu Fall zu bringen. Die Stimmung verschlimmerte sich spürbar, als Beaumont und Langer von einer Erkundigungstour des bedrohlich nahen Eisbergs zurückkehrten.
»Er hat zwar das Aussehen eines Hohleisberges«,
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