Target 5
eines nahen Hubschraubers begleitete sie während der ganzen Mahlzeit und machte sie gereizt.
»Warum geht das verdammte Ding nicht kaputt, warum geht ihm der Treibstoff nicht aus, oder es haut ab?« schimpfte Langer.
»Weil er auf Nordpol 17 aufgetankt hat«, brauste Beaumont auf.
»Darauf wäre ich nie gekommen.«
»Warum fragst du dann so blöd?«
Das Entsetzliche passierte, während sie aßen. Beim Lärm der sowjetischen Maschine hatten sie nicht einmal etwas davon gemerkt. Am Ende ihrer Rast nahm Beaumont Graysons Kompaß und versuchte, die Nadel auszubalancieren. Der Hubschrauber hörte plötzlich auf zu kreisen und drehte nach Osten ab. Beaumont stand da mit dem Kompaß in der Hand, als er plötzlich aufsah und in die Ferne starrte. Etwas war selbst in der plötzlichen Ruhe, nachdem der Hubschrauber abgeflogen war, sehr schwach zu hören. Nur Beaumont hörte es – ein Geräusch, das er lieber nicht gehört hätte: das Schwappen von Wasser, ein sanftes Plätschern. »Ich bin gleich zurück«, sagte er beiläufig. »Bleibt genau wo ihr seid; und lauft nicht herum.«
In fünf Minuten war er zurück, und die beiden Männer ahnten offensichtlich nicht, daß etwas nicht in Ordnung war. Langer hatte seine Anweisung als Warnung aufgefaßt, nicht im Nebel herumzuspazieren; er stand bereits abmarschbereit hinter seinem Schlitten. Beaumont gab Grayson den Kompaß zurück. »Den wirst du eine Weile nicht brauchen«, sagte er ruhig. »Wir können sowieso nicht weiter. Wir treiben jetzt auf einer kleinen Scholle vom Eisfeld ab…«
»Das ist unmöglich«, platzte Langer. »Wir hätten es abbrechen gehört, das macht einen Mordskrach.«
»Du vergißt den Spektakel dieses Hubschraubers, und diesmal hat es beim Abbrechen eben nicht soviel Krach gemacht, jedenfalls nicht genug, daß wir es durch das Hämmern des russischen Motors hindurch gehört hätten.« Beaumont zeigte in den Nebel. »Egal, in welche Richtung man geht: man kommt keine dreißig Meter, ohne ins Wasser zu fallen. Wir sind ausgesetzt auf einer Scheibe Eis und treiben in einer breiten offenen Rinne. Wir finden uns besser damit ab – wir sind nicht mehr auf dem Packeis – wir sind auf See.«
Das Schlimmste, was überhaupt passieren konnte, war geschehen. Das Eisfeld hatte eine breite Rinne gebildet, eine ausgedehnte Wasserstraße, die mehrere Kilometer breit sein konnte. Manchmal ist es der Wind, manchmal die fortwährende Strömung unter dem Eis, die das Eis bricht und auseinanderreißt. In diesem Falle waren sie vielleicht nahe dem Rand der Wasserrinne gewesen, als sie gerastet hatten, und ein Fragment, die Scholle, auf der sie nun abgeschnitten waren, hatte sich losgelöst. Früher oder später schließt sich eine solche Wasserrinne wieder, es sei denn, sie liegt in der Nähe der offenen See. In diesem Fall konnten sie auf den Ozean hinaustreiben und erfrieren.
Das Wiederzusammentreffen des Eises bereitete Beaumont Sorge. Er forderte die Männer deshalb auf, pausenlos wachsam zu bleiben. Das Aufeinandertreffen des Eises geht nicht gerade sanft vor sich. Das Eis schließt sich mit der Kraft eines Schraubstocks; es prallt aufeinander wie zwei stählerne Schiffe, die im Kollisionskurs aufeinandertreffen. Wenn zwei Eiskanten zusammenstoßen, klingt es wie tausend Böllerschüsse, ein entsetzliches Krachen, das man kilometerweit hören kann. Und wie die Stahlplatten eines Schiffes bäumt sich das Eis auf bei der Kollision. Durch die Wölbung und Verschiebung des zermalmten Eises werden riesige Eisrücken aufgeworfen, Eisrücken, die in Bewegung sind und eine Höhe von zehn Metern erreichen können. Die gewaltigen Brocken auf dem Kamm der Eisrücken zerbersten und stürzen herab, wobei sie alles, was ihnen im Weg liegt, plattwalzen. Und wenn die Eiskanten aufeinandertreffen, würde das treibende Floß zwischen ihnen eingesperrt sein und geknackt werden wie eine Nuß. Das war der Grund, weshalb sie wachsam sein mußten.
Damit sie die Gefahr rechtzeitig kommen sahen, postierte Beaumont Grayson und Langer an gegenüberliegenden Enden der kleinen Insel. An einem der Schlitten befestigten sie ein Seil, das sie zu beiden Beobachtungsposten auslegten, so daß sie, sobald sie das Eisfeld kommen sahen, durch den Nebel schnell zurückfinden konnten. Während die zwei Männer ihre Positionen wie Beobachtungsposten an Bord eines Schiffes einnahmen, fütterte Beaumont die Hunde. In einiger Entfernung von den Tieren zerschnitt er Walroßfleisch und warf es ihnen zu.
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