Tarzan 01 - Tarzan bei den Affen
denn dafür hielt ihn Clayton jetzt – Bogen und Köcher wieder auf seinem Rücken befestigt hatte, zog er abermals sein Messer und schnitt geschickt mehrere großen Streifen Fleisch aus der Flanke des Löwen. Dann hockte er sich hin und begann zu essen, wobei er Clayton mit einer Handbewegung aufforderte, es ihm gleichzutun.
Die kräftigen, weißen Zähne drangen in das rohe, bluttriefende Fleisch, der Fremde ließ es sich ganz offensichtlich schmecken, doch Clayton konnte sich nicht überwinden, das unzubereitete Gericht mit seinem seltsamen Gastgeber zu teilen; stattdessen beobachtete er ihn, und da dämmerte ihm, daß er Tarzan von den Affen vor sich hatte, dessen Anschlag er am Morgen an der Tür der Hütte entdeckt hatte.
War dem so, dann mußte er englisch sprechen.
Wieder versuchte Clayton, sich dem Affenmenschen verständlich zu machen. Aber die Antworten, die dieser hervorbrachte, bestanden aus seltsamen Lauten, die eher an das Geschnatter von Affen erinnerten, vermischt mit dem Knurren eines wilden Tieres.
Nein, das konnte Tarzan von den Affen nicht sein, denn es war offensichtlich, daß er von Englisch keine Ahnung hatte.
Als Tarzan seine Mahlzeit beendet hatte, erhob er sich, wies in eine ganz andere Richtung als jene, die Clayton eingeschlagen hatte, und machte sich zu dem angegebenen Ziel auf den Weg durch den Dschungel.
Clayton war verwirrt und beunruhigt und zögerte, ihm zu folgen, denn er glaubte, man wolle ihn noch tiefer in das Dickicht des Waldes führen. Aber als der Affenmensch sah, daß Clayton ihm nicht folgen wollte, kam er zurück, packte ihn am Jackett und zog ihn mit sich, bis er überzeugt war, daß Clayton begriffen hatte, was man von ihm verlangte. Dann ließ er ihn los, da er freiwillig mitkam.
Der Engländer war zu der Überzeugung gelangt, daß er ein Gefangener sei, und sah keine andere Möglichkeit, als seinem Wächter zu folgen. So durchquerten sie langsam den Dschungel, während die Nacht den undurchdringlichen Wald ringsum in ihren Mantel hüllte und die leisen Tritte weicher Pfoten sich mit dem Knacken von Zweigen und den wilden Geräuschen jenes Lebens vermischten, das allmählich von Clayton Besitz ergriff, wie er deutlich spürte.
Plötzlich hörte er den schwachen Knall einer Feuerwaffe – ein einzelner Schuß krachte, dann herrschte wieder Stille.
In dem Haus am Strand kauerten zwei zu Tode verängstigte Frauen eng aneinandergeschmiegt in der zunehmenden Dunkelheit auf einer niedrigen Bank.
Die Negerin schluchzte hysterisch und verwünschte den schlimmen Tag, an dem sie ihr geliebtes Maryland verlassen hatte, während die junge weiße Frau, äußerlich ruhig und ohne zu weinen, innerlich von Ängsten und bösen Vorahnungen gepeinigt wurde. Sie bangte weniger um sich selbst als um die drei Männer, die, wie sie wußte, in den undurchdringlichen Tiefen des wilden Dschungels umherstreiften, aus dem ihr jetzt fast unaufhörlich Geschrei und Gebrüll, Gebell und das Knurren der schrecklichen und furchteinflößenden Bewohner der Wildnis entgegenscholl.
Jetzt hörten sie deutlich einen schweren Körper an der einen Seite der Hauses entlangschleifen. Sie vernahmen weiche Tritte mächtiger Pranken. Einen Augenblick lang herrschte Stille, selbst der Lärm des Waldes erstarb zu einem schwachen Murmeln. Dann hörten sie das Tier draußen deutlich an der Tür schnüffeln, keine zwei Fuß von der Stelle entfernt, wo sie hockte. Jane erschauderte und schmiegte sich instinktiv enger an die dunkelhäutige Frau.
»Still!« wisperte sie. »Still, Esmeralda!«, denn das Schluchzen und Greinen der Negerin schien das Lebewesen herbeigelockt zu haben, das jenseits der dünnen Wand umherstrich.
Ein sanftes Kratzen an der Tür ließ sich vernehmen. Das Tier versuchte, sich Zutritt zu verschaffen; kurz darauf brach das Geräusch ab, dann hörten sie wieder große Pranken leise um die Hütte tappen. Abermals hielten sie inne – diesmal unter dem Fenster, auf das sich die entsetzten Augen der jungen Frau jetzt richteten.
»O Gott!« murmelte sie, denn gegen den vom Mondlicht erhellten Himmel konnte sie im winzigen Quadrat der vergitterten Fensteröffnung deutlich den Kopf einer riesigen Löwin erkennen. Die glühenden Augen musterten sie starr und wild.
»Sieh doch, Esmeralda!« wisperte sie. »Um Gottes willen, was sollen wir tun? Sieh doch! Schnell! Am Fenster!«
Esmeralda drängte sich noch enger an ihre Herrin und warf kurz einen verängstigten Blick auf das kleine, vom
Weitere Kostenlose Bücher