Tarzan 02 - Tarzans Rückkehr
nicht meine Sache, aber ich möchte nicht, daß wegen der persönlichen Angelegenheit eines anderen Mannes das Blut eines Franzosen über uns kommt. – Dann wird man Soldaten schicken, viele von uns töten, unsere Zelte abbrennen und die Herden vertreiben.«
»Wie Sie wünschen«, knurrte Rokoff. »Ich werde ihn aus dem Lager in die Wüste bringen und dort erledigen.«
»Sie werden sich mit ihm einen Tagesritt von meinem Land entfernen«, sagte der Scheich bestimmt, »und einige meiner Leute werden Ihnen folgen, um zu sehen, ob Sie meinem Wunsch Folge leisten. Anderenfalls wird es dann zwei tote Franzosen geben.«
Rokoff zuckte die Schultern. »Dann werde ich bis zum Morgen warten müssen – es ist schon dunkel.«
»Wie Sie wollen«, antwortete der Scheich. »Aber eine Stunde nach Tagesanbruch sind Sie aus meinem Lager verschwunden. Ich mach mir nicht viel aus Ungläubigen und überhaupt nichts aus Feiglingen.«
Rokoff wollte schroff antworten, hielt sich aber zurück, da er spürte, daß nicht viel fehlte, und der Scheich würde sich gegen ihn wenden. Gemeinsam verließen sie das Zelt. An der Tür konnte Rokoff der Versuchung nicht widerstehen, sich umzudrehen und Tarzan höhnisch zuzurufen:
»Schlafen Sie wohl, Monsieur, und vergessen Sie nicht zu beten, denn Sie werden morgen so qualvoll sterben, daß Sie kaum mehr beten, eher schon fluchen werden.«
Niemand hatte sich seit Mittag darum gekümmert, Tarzan etwas zu essen oder zu trinken zu bringen, demzufolge peinigte ihn der Durst. Er überlegte, ob er die Wache um Wasser bitten sollte, aber nachdem er zwei-, dreimal gefragt und keine Antwort erhalten hatte, gab er alle Bemühungen auf.
Weit oben in den Bergen hörte er einen Löwen brüllen. ›Um wieviel sicherer ist man doch unter Raubtieren als unter Menschen‹, dachte er. Noch nie in seinem ganzen Dschungelleben war er so hartnäckig verfolgt worden wie in den wenigen vergangenen Monaten, in denen er die zivilisierten Menschen kennengelernt hatte. Nie war er dem Tod näher gewesen.
Wieder brüllte der Löwe, diesmal etwas näher. Tarzan spürte in sich den wilden Drang, mit dem Ruf seiner Art zu antworten. Seiner Art? Fast hatte er vergessen, daß er ein Mensch und kein Affe war. Er zerrte an seinen Fesseln. Gott, wenn er sie nur mit seinen scharfen Zähne erreichen könnte! Er fühlte, wie ihn eine unbezähmbare Woge des Zorns überkam, als all seine Bemühungen fehlschlugen, die Freiheit wiederzuerlangen.
Numa brüllte nun fast ununterbrochen. Offensichtlich war er in die Wüste heruntergekommen, um zu jagen. Es war das Brüllen eines hungrigen Löwen. Tarzan beneidete ihn um seine Freiheit. Niemand würde ihm Fesseln anlegen oder ihn schlachten wie ein Schaf. Das war es, was den Affenmenschen am meisten verdroß. Er fürchtete sich nicht vor dem Tod, nein. Die Niederlage war demütigend: zu sterben, ohne um sein Leben kämpfen zu können.
Es muß fast Mitternacht sein, dachte er bei sich. Noch einige Stunden hatte er zu leben. Vielleicht würde er einen Weg finden, Rokoff auf seine lange Reise mitzunehmen. Wieder konnte er gar nicht weit weg den unangefochtenen König der Wüste hören. Vielleicht suchte er sich unter den eingepferchten Tieren seine Nahrung.
Längere Zeit herrschte Stille, dann erhaschte Tarzans geübtes Ohr das Geräusch eines sich leise heranschleichenden Geschöpfes. Es kam von der den Bergen zugewandten Seite des Zeltes und wurde immer deutlicher. Er wartete und lauschte gespannt, ob es an ihm vorbeiging. Eine Zeitlang war es draußen ganz still, so unheimlich still, daß Tarzan sich wunderte, warum er nicht den Atem des Tieres hörte, das dicht an der Zeltwand lauerte, dessen war er sich sicher.
Da! Wieder bewegte es sich. Es kroch noch näher. Tarzan drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Im Zelt war es sehr finster. Langsam wurde die Hinterwand hochgehoben, schoben sich der Kopf und die Schultern eines Lebewesens durch, das im Halbdunkel des Zeltes völlig schwarz aussah. Dahinter sah er kurz die schwach von Sternen erhellte Wüste.
Ein grimmiges Lächeln spielte um seine Lippen. Nun wurde Rokoff doch noch um seinen Triumph gebracht. Es würde ihn wahnsinnig machen. Und dieser Tod war bestimmt weniger grausam als der, den er von den Händen des Russen zu erwarten hatte.
Die Zeltwand fiel zurück, wieder war alles in Dunkel gehüllt – auch das, was sich jetzt mit im Zelt befand. Er hörte, wie dieses Etwas zu ihm kroch, bis es gleich neben
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