Tarzan 04 - Tarzans Sohn
kleinen Körper mit seinen erbarmungslosen Stoßzähnen übel zurichten oder ihn mit seinen säulenartigen Beinen zu einer unkenntlichen Masse zermalmen.
Er war fast bei ihr. Korak hätte am liebsten die Augen geschlossen, konnte es jedoch nicht. Seine Kehle war ausgetrocknet und pelzig. In seinem ganzen Leben inmitten der Wildnis hatte er nie zuvor solche Ängste ausgestanden – überhaupt nie erfahren, was Angst bedeutete. Noch einige wenige Schritte, und das Tier würde sie packen. Was war das? Er traute seinen Augen nicht. Eine seltsame Gestalt sprang aus dem Baum, dessen Schatten Meriem bereits erreicht hatte – sprang hinter dem Mädchen geradewegs in die Bahn des angreifenden Elefanten. Es war ein nackter weißer Riese. Um die Schulter hatte er eine Seilrolle geschlungen. Im Gurt an seiner Taille steckte ein Jagdmesser. Ansonsten war er unbewaffnet. Mit bloßen Händen trat er dem tollwütigen Tantor entgegen. Ein scharfer Befehl kam über seine Lippen – das große Tier hielt in seinem Lauf inne – und Meriem schwang sich nach oben in die Sicherheit des Baumes. Korak stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, in die sich ein großes Staunen mischte. Er heftete den Blick auf das Gesicht von Meriems Retter, und in dem Maße, wie das Erkennen langsam seinen Verstand durchdrang, weiteten sich seine Augen in ungläubigem Staunen.
Tantor stand, noch immer zornig brummend, hin und her schwankend dicht vor dem großen weißen Mann. Da trat dieser direkt unter den emporgereckten Rüssel und erteilte ihm leise einen kurzen Befehl. Das große Tier hörte auf zu murren. Der wilde Schein in seinen Augen erlosch, und als der Fremde zu Korak ging, schritt Tantor folgsam hinterdrein.
Meriem hatte das Ganze ebenfalls beobachtet und nur gestaunt. Plötzlich wandte sich der Mann zu ihr, als erinnere er sich jetzt erst ihrer Anwesenheit, nachdem er sie einen Moment völlig unbeachtet gelassen hatte. »Komm, Meriem!« sagte er. Und da erkannte sie ihn und sagte ganz verdutzt: »Bwana!« Schnell ließ sie sich vom Baum fallen und war auch schon an seiner Seite. Tantor schielte fragend nach dem weißen Hünen, ließ Meriem jedoch nach einem warnenden Zuruf nähertreten. Gemeinsam gingen sie zu Korak, der noch immer mit weitgeöffneten Augen dalag, aus denen ein großes Staunen sprach und eine leidenschaftliche Bitte um Vergebung, vielleicht aber auch Dankbarkeit für das Wunder, das gerade diese beiden Menschen zu ihm geführt hatte.
»Jack!« rief der weiße Hüne und kniete neben dem Affenmenschen nieder.
»Vater!« sagte der Killer mit erstickter Stimme. »Gott sei Dank, daß du es warst. Im ganzen Dschungel hätte sonst niemand Tantor aufhalten können.«
Schnell zerschnitt der Mann die Fesseln, die Korak zusammenschnürten, und als der Jüngling auf die Füße sprang und die Arme um seinen Vater schlang, wandte sich dieser an Meriem.
»Ich dächte, ich hätte dir gesagt, du sollst zur Farm zurückkehren«, sagte er ernst.
Korak musterte die beiden staunend. Sein Herz war voll Verlangen, das Mädchen in die Arme zu schließen, aber er erinnerte sich noch rechtzeitig an den anderen – den flotten, jungen, englischen Gentleman – und er war nur ein wilder, ungeschliffener Affenmensch.
Meriem blickte Bwana flehentlich in die Augen.
»Sie haben mir gesagt, mein Platz sei neben dem Mann, den ich liebe«, sagte sie sehr leise, und damit blickte sie zu Korak, und ihre Augen strahlten so wundervoll, wie kein anderer Mann es je gesehen hatte und auch nie sehen würde.
Korak ging mit ausgestreckten Armen auf sie zu, aber plötzlich ließ er sich vor ihr auf ein Knie nieder, hob ihre Hand an seine Lippen und küßte sie ehrerbietiger, als er die der Königin seines Landes geküßt hätte.
Ein Knurren von Tantor ließ die drei, die alle im Dschungel groß geworden waren, plötzlich aufhorchen. Der Elefant blickte auf die Bäume hinter ihnen, und als ihre Augen diesem Blick folgten, tauchten der Kopf und die Schultern eines großen Affen aus dem Blattwerk auf. Der Dschungelbewohner beäugte sie einen Augenblick, dann entrang sich seiner Kehle ein lauter Schrei des Erkennens und der Freude, und einen Augenblick später sprang das Tier zu Boden, gefolgt von einer Schar Affenmännchen wie er selbst, kam auf sie zugewatschelt und brüllte in der urzeitlichen Sprache der Menschenaffen:
»Tarzan ist wieder da! Tarzan, der Herr des Dschungels!«
Es war Akut, und sofort begann er, um das Trio herumzuhüpfen und zu tanzen
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