Tarzan 04 - Tarzans Sohn
angreifende Bullen und sanken sofort reißend und schlagend zu Boden. Korak vergaß sein Messer. Solche Wut und Blutgier, wie sie ihn jetzt erfüllten, konnten nur durch das Gefühl heißen Fleisches zwischen reißenden Zähnen und hervorsprudelnden fremden Blutes auf der bloßen Haut befriedigt werden, denn wenn er sich dessen auch nicht bewußt wurde – Korak, der Killer, stritt für etwas Zwingenderes als Haß oder Rache – er war ein großes Männchen, das mit einem anderen um eine Gefährtin ihrer Gattung kämpfte.
Wie ungestüm der Angriff des Affenmenschen auch war, er fand die bewußte Stelle, ehe der Menschenaffe es verhindern konnte – ein wilder Biß, bei dem sich die starken Kiefer über der pulsierenden Schlagader schlossen, und so hing er dort mit geschlossenen Augen, während seine Hände die zottige Kehle noch anderweitig zu packen suchten.
In diesem Moment schlug Meriem die Augen auf. Sie weiteten sich bei dem Anblick, der sich ihr bot.
»Korak!«, rief sie. »Korak! Mein Korak! Ich wußte, daß du kommen würdest. Töte ihn, Korak! Töte ihn!« Und mit blitzenden Augen und wogendem Busen sprang sie auf die Füße und rannte an seine Seite, um ihn zu ermutigen. In der Nähe lag der Speer des Killers, er hatte ihn weggeworfen, als er den Affen angriff. Das Mädchen nahm ihn auf. Angesichts dieses urtümlichen Kampfes zu ihren Füßen überkam sie keine Ohnmacht. Sie zeigte auch keine hysterische Reaktion als Folge der eigenen Nervenanspannung bei ihrer Begegnung mit dem Affen. Wohl war sie aufgeregt, dennoch überlegte sie kühl und hatte überhaupt keine Angst. Ihr Korak kämpfte mit einem anderen Mangani, der sie geraubt hatte. Gleichwohl suchte sie nicht die Sicherheit eines überhängenden Astes, um den Streit aus einer gewissen Entfernung zu verfolgen, wie ein Manganiweibchen es getan hätte. Vielmehr pflanzte sie den Speer auf die Flanke des Affenmännchens und stieß die scharfe Spitze tief in das wilde Herz. Korak hätte ihrer Hilfe gar nicht bedurft, denn das große Affenmännchen war bereits so gut wie tot, während das Blut aus der aufgerissenen Schlagader sprudelte. Doch er erhob sich lächelnd mit einem anerkennenden Wort für seine Helferin.
Wie groß und schön sie war! Hatte sie sich plötzlich in den wenigen Stunden seiner Abwesenheit verändert, oder hatte dieser Kampf mit dem Affen ihm zu einer anderen Sicht verholfen? Er sah Meriem jetzt mit anderen Augen, denn er entdeckte viele überraschende und berückende Veränderungen. Wie lange war es wohl her, seit er sie, ein kleines Arabermädchen, in ihres Vaters Dorf gefunden hatte? Er wußte es nicht, denn Zeit spielt im Dschungel keine Rolle, und er hatte über die vergangenen Tage nicht Buch geführt. Doch als er sie jetzt ansah, wurde ihm klar, daß sie nicht länger das kleine Mädchen war, als das er sie zuerst erblickt hatte, unter dem großen Baum gleich innerhalb der Palisade mit Geeka spielend. Die Veränderung mußte ganz allmählich vor sich gegangen sein, da sie ihm bis jetzt nicht aufgefallen war. Was war der Grund, daß sie ihm jetzt plötzlich ins Auge stach? Sein Blick wanderte von dem Mädchen zum Körper des toten Affen. Da dämmerte ihm mit einemmal der eigentliche Grund für den Entführungsversuch des Affenmännchens. Seine Augen weiteten sich und verengten sich sogleich wieder zu schmalen Schlitzen, während er wutentbrannt auf das häßliche Untier zu seinen Füßen herabblickte. Als er dann wieder aufschaute und Meriem ansah, errötete er ganz langsam. Er sah sie jetzt wirklich mit anderen Augen an – mit den Augen eines Mannes, der eine Frau erblickte.
Akut kam genau in dem Moment, als Meriem Koraks Gegner den Speer in die Flanke gestoßen hatte. Sein Frohlocken war offensichtlich. Er stolzierte mit steifen Beinen um den Körper des getöteten Feindes, knurrte und stülpte die breite Lippe nach oben. Sein Haar sträubte sich. Er achtete überhaupt nicht auf Meriem und Korak. Etwas regte sich in den verborgensten Winkeln seines kleinen Gehirns, etwas, das der Anblick und der Geruch des großen Affenmännchens geweckt hatte. Äußeres Zeichen dieser aufkeimenden Idee war bestialische Wut, doch die inneren Empfindungen waren äußerst angenehm. Die Witterung des großen Affenmännchens und der Anblick der großen, behaarten Gestalt hatte in Akuts Herzen eine Sehnsucht nach dem Umgang mit seinesgleichen wachgerufen. So hatte nicht nur Korak eine Veränderung erfahren.
Und Meriem? Sie war eine Frau.
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