Tarzan 04 - Tarzans Sohn
Es ist der Frauen göttliches Recht, zu lieben. Sie hatte Korak immer geliebt. Er war ihr großer Bruder. Nur hatte sie keinen Wandel erfahren. Sie war nach wie vor glücklich, mit ihm zusammen zu sein. Sie liebte ihn noch immer, wie eine Schwester einen verständnisvollen Bruder liebt, und sie war sehr stolz auf ihn. Im ganzen Dschungel gab es niemanden, der so stark, so schön und so tapfer war wie er.
Korak trat dicht zu ihr. In seinen Augen glänzte ein neuer Schein, als sie ihn anblickte. Sie verstand nicht. Sie erkannte nicht, wie nahe sie der Reife waren, und sah auch nicht den Unterschied in ihrer beider Natur, den Koraks Blick bekundete.
»Meriem«, flüsterte er, und seine Stimme klang dunkel, als er ihr die braune Hand auf die entblößte Schulter legte. »Meriem!« Plötzlich riß er sie an sich. Sie blickte ihm lachend ins Gesicht, da beugte er sich herab und küßte sie mitten auf den Mund. Selbst jetzt verstand sie nicht. Sie konnte sich nicht entsinnen, jemals zuvor geküßt worden zu sein. Es war sehr schön. Meriem mochte es. Sie glaubte, dies sei Koraks Art, ihr zu zeigen, wie sehr er sich freute, daß dem großen Affen die Entführung mißglückt war. Sie freute sich gleichfalls, legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn immer wieder. Dann entdeckte sie die Puppe in seinem Gürtel, nahm sie an sich und küßte sie, wie sie ihn geküßt hatte.
Er wollte etwas sagen. Er wollte ihr erzählen, wie sehr er sie liebte. Aber dieses Liebesempfinden verschloß ihm den Mund, außerdem war der Wortschatz der Mangani zu begrenzt.
Da wurden sie gestört. Akut stieß plötzlich ein tiefes Knurren aus, nicht lauter als jenes, das er von sich gegeben hatte, als er um den toten Affen herumstolziert war, und auch nur halb so laut, aber die Tonlage sprach die Empfindungen des Dschungelwesens in Korak an. Es war eine Warnung. Er blickte von dem lieblichen Antlitz auf, das so nahe vor ihm war. Jetzt waren andere Fertigkeiten gefordert. Seine Augen, seine Geruchsnerven waren aufs äußerste gespannt. Etwas näherte sich!
Der Killer trat neben Akut, Meriem stand hinter ihnen. Sie sahen aus wie Statuen, während sie in das Blattgewirr des Dschungels blickten. Das Geräusch, das ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte, nahm an Lautstärke zu, und da brach auch schon ein großer Affe durch das Unterholz wenige Schritte vor ihnen. Das Tier blieb bei ihrem Anblick stehen und sandte ein warnendes Grunzen über seine Schulter nach hinten, worauf sogleich ein weiterer Affe vorsichtig auftauchte. Andere folgten ihm, sowohl Männchen als auch Weibchen mit Jungen, bis zwei Dutzend behaarte Ungeheuer vor den dreien standen und sie anstarrten. Es war der Stamm des toten Königsaffen. Akut ergriff als erster das Wort. Er wies auf das getötete Affenmännchen.
»Korak, der mächtige Kämpfer, hat euren König getötet«, grunzte er. »Es gibt niemanden im ganzen Dschungel, der gewaltiger ist als er, Sohn des Tarzan. Nun ist er König. Welches Affenmännchen ist größer als Korak?« Das war eine Herausforderung an jedes Männchen, das Koraks Recht auf die Königswürde in Frage stellen wollte. Die Affen plapperten, schnatterten und knurrten untereinander, schließlich trat ein junges Männchen, auf kurzen Beinen hin und her schwingend, mit gesträubtem Fell knurrend und furchteinflößend nach vorn.
Es war ein beachtliches Exemplar im Vollbesitz seiner Kräfte. Der Affe gehörte jener fast erloschenen Gattung an, über die die Weißen seit langem schon Informationen von den Eingeborenen der unzugänglichen Dschungelgebiete haben wollen. Selbst diese bekommen die großen, behaarten, vorzeitlichen Männchen selten zu Gesicht.
Korak ging dem Ungeheuer entgegen. Er knurrte gleichfalls. In seinem Gehirn reifte ein Plan. Sich mit diesem kräftigen, ausgeruhten Tier in ein Handgemenge einzulassen, nachdem er gerade eine gefährliche Auseinandersetzung mit einem anderen Exemplar dieser Art hinter sich hatte, hieße, die Niederlage geradezu heraufzubeschwören. Er mußte einen leichteren Weg zum Sieg finden. Also duckte er sich in Erwartung des Angriffs, der, wie er wußte, alsbald kommen würde, und er brauchte auch nicht lange zu warten. Sein Gegner hielt nur lange genug inne, um zur Erbauung der Zuschauer und zur Einschüchterung von Korak eine kurze Aufzählung seiner früheren Siege sowie eine Darstellung seiner Gewandtheit und eine Vorschau auf die Dinge, die er sogleich mit Korak anstellen werde, vom Stapel zu lassen. Dann ging
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