Tascosa (German Edition)
länger an
mir ausweinen willst, mach nur weiter."
"Ihr seid so lieb, alle beide. Ich bin
froh, dass Nate euch zum Freund hat." Sie berührte Randys
tränendurchnässte Brust und sah Bill an.
"Was hast du mitgebracht?" fragte
sie, als sie merkte, dass er etwas hereingebracht hatte.
"Ich weiß nicht, ob das der richtige
Moment ist, oder nicht, aber das hier sind Nate's Sachen. Da du seine Frau
bist, meinen wir dass sie dir gehören." Er legte das Bündel aufs Bett.
"Nicht grad viel, was vom Leben eines
Mannes überbleibt", meinte Randy. "Aber jedes kleine Bisschen hat ihm
was bedeutet. Besonders deine Briefe."
"Meine Briefe?"
"Ja, Ma'am. Du hättest ihn sehen sollen,
jedes Mal wenn einer ankam. Er war wie ein Schuljunge an Weihnachten. Hat wie
ein Opossum gegrinst, war voller Witz und Lachen, hat uns aber nie einen sehen
lassen. Einmal, da hat ein Holzkopf versucht, einen zu erwischen und hat's fast
mit dem Leben bezahlt. Ich meine tot, t-o-t."
Sofort als diese Worte aus Randys Mund kamen,
wurden seine Augen weit. "Tut mir Leid. Ich hätte nicht..."
"Nein Randy, das ist lustig. Bin froh,
dass du es erzählt hast." Sie kümmerte sich um das Bündel und machte es
auf. Sie war froh, dass sie etwas zu tun hatte. Nate's Kontobuch war drin, eine
Dose voll mit Dollarscheinen, und ihre Briefe. Sie nahm sein Hemd und hielt es
ans Gesicht. Es war erfüllt von seinem Geruch. Sie konnte nicht anders und
brach wieder in Tränen aus. Schluchzend kauerte sie sich auf den Boden. Die
beiden Männer standen hilflos daneben.
Nach einer Weile versuchte sie zu sprechen.
"Ihr könnt genauso gut gehen. Das geht die ganze Nacht so weiter."
"Nö. Wir bleiben bei dir." erbot
sich Bill.
"Das ist lieb von euch, aber ehrlich
gesagt, wär ich jetzt lieber allein."
"Dann sehn wir uns am Morgen
wieder", Randy berührte sie an der Schulter und sie gingen trübsinnig
hinaus.
* * *
Die lange Heimreise nach Tascosa wurde für
Amanda zum Durchhaltetest, und die anderen Passagiere wunderten sich über die
traurige, schweigsame Frau in der Ecke der Kutsche. Sie schlief kaum und keiner
sah sie etwas essen. Derweil sahen sie öfters, wie sie sich verstohlen die
Tränen abwischte. Als die Fahrt schließlich an einem späten Nachmittag zu Ende
war, ging Amanda ins Restaurant.
"Joey!" rief sie durch den
Speisesaal.
"Miss Amanda, du bist zurück!" Joey
kam aus der Küche und hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Er lief rüber zu
ihr und umarmte sie herzlich zum Willkommen daheim. Er trat zurück und sah ihr
ins Gesicht. "Stimmt was nicht?"
"Nate ist tot." Sie ließ sich auf
dem nächsten Stuhl nieder, war selbst überrascht, wie ruhig sie das sagte.
"Was? Was ist
passiert?" Joey setzte sich neben sie, und hielt sich den Bauch als hätte
er Schläge eingesteckt.
Sie erzählte ihm die Einzelheiten, hielt
mehrmals inne, um ihre Tränen zu trocknen. Joey lauschte mit dünnen
verkniffenen Lippen. Als sie fertig war, zog er sie auf die Beine und umarmte
sie fest.
"Ich habe Nate versprochen, dass ich mich
um dich kümmern werde, und genau das werde ich tun. Ich habe Leute um mich
herum sterben sehen. Ich habe es überlebt. Auch du wirst das überstehn. Ich
versprech's."
"Ach, Joey, danke." Amanda
streichelte zart seine Wange. "Jetzt gibt es nur noch dich und mich."
"Und das wird genug sein." Er sah
ihr düster in die Augen.
"Schau." Sie hielt die Hand hoch und
zeigte ihm den Verlobungsring. "Wir wollten heiraten."
"Oh, das hab ich gewusst. Das konnte
sogar ein Blinder sehen."
Sie lächelte traurig über seinen Scherz.
"Meine Sachen sind noch in der Hotellobby. Könntest du sie her holen? Und
sei vorsichtig mit Nate's Sachen. Sie sind nur in einem Bündel."
"Ja, Ma'am." Er stand auf und ging
um es zu holen. Nach ein paar Minuten legte er alles in ihr Zimmer. Als das
Abendessen serviert werden musste, zog Amanda ihre Arbeitskleider an und
stürzte sich in die Arbeit.
* * *
Brian kam an diesem Abend kurz vor Schluss. Er
war entzückt, als er sie mitten im Saal stehen sah. "Miss Amanda! Wie
schön, dich wieder hier zu haben." Er war überrascht, als sie ihn wortlos
an der Hand nahm und in die Küche führte.
"Brian, bevor du mich über meine Reise
ausfragst, muss ich dir was sagen." Sie sah ihn so ernsthaft an, dass er
nicht wusste, worauf er sich gefasst machen musste. Als er ihr Gesicht genauer
betrachtete, merkte er dass es viel zu blass und eingefallen war, und dass ihre
Augen dieses besondere Strahlen verloren
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