Tascosa (German Edition)
hinter ihren Augen in ihrem Herzen abspielte, wäre er beängstigt gewesen
über die widerspenstige Wut, die er in ihr hervorrief. Genau dieselbe
dickköpfige Wut ließ sie damals ein Hinfahrt-Ticket nach Texas kaufen, obwohl
sie dort überhaupt niemanden kannte — dieselbe Wut hatte sie auch veranlasst,
den vor dem Hotel herumlungernden Cowboys gegenüberzutreten. Seine Ehe zu
schützen war eine Sache. Aber Nate's Geschäft zu ruinieren war was ganz
anderes.
Da sie von Nate so lange nichts gehört hatte,
glaubte sie, dass er mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte. Er hatte sich
aber für Tascosa entschieden, so schloss sie, weil er nahe bei seinem Baby sein
wollte.
Immerhin hatten sie und Nate viel zu viel für
seinen Traum geopfert, als dass sie ihm nicht helfen würde, ihn zu
verwirklichen. Aber was konnte sie jetzt tun? Vielleicht wäre er für eine
Warnung dankbar? Sie strich sich ein paar Mal über den Bauch und fasste
schließlich einen Entschluss. Sie ging zum Schreibtisch und holte Papier und
Stift.
* * *
Ein paar Tage später fuhr Amanda in die Stadt,
um mit Joey die Restaurant Bücher durchzugehen. Sie hatten ihre Arbeit beendet,
als Amanda das Thema wechselte.
"Joey, ich brauche jemand dem ich
vertrauen kann. Jemand den Brian noch nicht in die Tasche gesteckt hat."
"Das wäre ich, Miss Amanda", sagte
er ihr vertrauensvoll.
"Das hatte ich gehofft. Kannst du Nate
diesen Brief von mir geben? Er ist wichtig."
"Natürlich, aber du kannst ihn in sein
Zimmer legen." Er deutete auf ihre alte Tür.
"Er wohnt hier?"
"Jo. Seit er angekommen ist."
Sie ging ins Schlafzimmer und fand es genauso
vor, wie sie es verlassen hatte, nur dass ein paar Sachen von Nate herumlagen.
Sie berührte sein Hemd, das über einem Haken hing, und erinnerte sich daran,
wie sie genau so eins aufgeknöpft hatte. Das war lange her, vor vielen Monaten.
Sie hielt den Ärmel ans Gesicht und atmete tief ein. Sie stöhnte und schüttelte
sich die Erinnerungen aus dem Kopf. Dann legte sie ihren Brief sorgfältig
mitten aufs Kopfkissen. Danach fuhr sie heim, in der Gewissheit dass sie für
den Augenblick alles getan hatte was sie konnte.
* * *
Nate kam spät abends heim. Er war müde von den
Gesprächen mit so vielen Leuten und von den vielen Widerständen. Er machte das
Licht an und ging in sein Zimmer. Sofort bemerkte er den Brief mit ihrer
Handschrift.
"Was in aller Welt?" brummelte er
laut vor sich hin. Warum würde Amanda an ihn schreiben? Auf dem Bett sitzend
zog er den Brief heraus und atmete aus Gewohnheit ihren süßen Duft tief ein.
Nate, ich nehme das Risiko auf mich, dir zu
schreiben. Aber ich hoffe, wir haben in Joey einen gemeinsamen Verbündeten.
Mein Mann ist entschlossen, zu verhindern dass du hier dein Geschäft aufmachst.
Und er redet mit allen Ranchern, dass sie dein Angebot ablehnen sollen. Ich meine,
das solltest du wissen.
A.
P.S. Eins kann ich dir sagen: dieses Baby
strampelt und tritt wie ein Maultier.
Er las den ersten Teil des Briefes und nickte.
Damit bekam der Tag einen Sinn, und es erklärte, warum die Leute anfangs eifrig
interessiert waren und jetzt gegen ihn mauerten. Die Tatsache dass Amanda die
Gefahr auf sich nahm und ihn warnte, brachte Fragen wieder zurück, die er
eigentlich beantwortet glaubte. War sie nun mit ihm fertig oder nicht? Sie
schien sich zu sorgen — zumindest ein wenig. Er wusste nur nicht wie viel.
Nachrichten über sein Baby erwischten ihn in
der Brust. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er so stark auf so eine
einfache Mitteilung reagieren würde. Er fühlte sich stolz und hilflos zugleich,
alles durcheinander gemischt.
Er las den Brief mehrmals. Was sollte er mit
seinem Geschäft machen? Er brauchte einen starken Verbündeten, jemand der so
mächtig wie McLeod war. Er schlief ein, ohne eine Antwort zu finden, hatte nur
Fragen über Fragen.
* * *
Am Samstagabend kamen die Leute von der LX
Ranch in Scharen in die Stadt geritten, Geld in der Tasche und Durst in der
Kehle. Als sie den Saloon durch die Schwingtüren betraten, stand Nate an der
Bar.
"Bradford!" rief einer von ihnen.
"Dann sind die Gerüchte wahr. Du bist am Leben! Und hässlicher als
je zuvor!"
"He, Slim", grinste Nate. Als erst
mal all das Schulterklopfen und Beschimpfen vorbei war, lud Nate sie zum Essen
in Miss Amanda's Lokal die Straße runter ein, bevor sie mit dem Trinken
anfangen konnten.
"Aber…" wollte einer widersprechen.
"Schmorfleisch, dann
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