Tastenfieber und Liebeslust
Mails erhalten oder geschrieben. Dabei kann schon mal die Übersicht abhandenkommen. Meine Familie hat aber ganz andere schwarze Schafe überlebt! Ich mache mir darüber keine Sorgen, zumal ich ja mehr zum Fortbestand beigetragen habe, als etliche Vettern und Cousinen zusammen.
Ich habe bei Wikipedia nachgelesen. Ein modischer Bedeutungswechsel geht aber nicht zu meinen Lasten. Wir Mediziner denken nun einmal simpel. Gynäkologe ist ein Frauenarzt (oder stimmt das auch nicht mehr?), und wenn ich ›-logie‹ wegnehme, bleibt ›Frau‹ übrig. Der hänge ich dann ›Freund‹ an, und schon hammer’s, dachte ich mir so in meinem jugendlichen Leichtsinn.
Ihre Sätze über Ihre Kinder haben mich sehr betroffen gemacht. Ich bin glücklich, dass zwei noch in Berlin sind, und ich sie dauernd sehen kann. Die junge Mutter lebt in Bielefeld, auch nur vier Stunden entfernt, sodass ich häufig meine Enkel sehen und mich an deren Entwicklung erfreuen kann. Wo meine Jüngste mal landen wird, weiß ich noch nicht.
Ja, ja, ich hatte die Latte sehr hoch gehängt. Es waren einfach zu viele Zuschriften! Ich dachte, nur die außergewöhnlichen Damen, die sich nicht abschrecken lassen und nicht im ›das tut man nicht‹ verhaftet sind oder die genau so unsinnig antworten, kommen für ein Treffen infrage. Also den Witzbold unter den Damen habe ich gesucht, eine Leserin, die genau verstand, dass alles nicht ernst gemeint war, denn ich hatte anfangs doch schon geschrieben, dass ich über alles und jedes meine Sparwitzchen mache.
Aber die Formulierung, ›Liebe und verehrte Marion,
Oberstudienrätin und Freifrau‹, war doch wohl gut? In einen einzigen Satz – über ca. 18 Zeilen und ›mit der Natur ihren Lauf‹ endend – so viele Informationen hineinzupacken, müsste eine Germanistin doch loben – oder?
Da ich in meiner Zeit, als ich noch jung und rüstig war und als Redakteur eines Kammerblättchens gelegentlich die Kolumne schreiben musste, weil der vorgesehene Autor ausfiel, ging auch manchmal die sprachliche Fantasie mit mir durch.
Also Hutten! Ihr Name ist doch deutlich geschichtsträchtiger als meiner. Während meine Ahnen seit 1209 nur für den Fortbestand der Gene sorgten, schrieben andere Briefe an die deutsche Nation.
Ich denke, meine Vorfahren konnten gar nicht schreiben. Wozu auch? Die Vermehrung funktioniert auch ohne Schriftkenntnisse, oder irre ich mich schon wieder?
Aber eins möchte ich doch noch loswerden. Ich habe alle Damen davor gewarnt, das in der Klammer Geschriebene zu lesen. Sie sind ein Schlitzohr! Erst lesen und dann Vorwürfe machen! Das giltet nicht!
Wenn’s auch ein Cabernet sauvignon sein darf, würde ich über Ihren Vorschlag nachdenken. Wie die Sache auch ausgehen sollte, Ihren aufmerksamen und mitfühlenden Enkel dürfen Sie nicht enttäuschen.
Mit einem gehorsamen Handkuss bin ich Ihr
Maximilian
PS: Als dritte Hürde erhalten Sie nun ein Foto von mir und meinen beiden Enkeln. Den Hautausschlag hat der Fotograf wegretuschiert.
5. August – 16:42 Uhr
Evachen,
ich bin so wahnsinnig kaputt! Das merkte ich erst, als ich hier in meiner schönen Höhle ankam. Wenn alle Mannequins des Universums an mir vorbeilaufen würden, ich bin zu schlapp, um die Augenlider zu öffnen und den Kopf zu drehen.
Mein Herz, was machst Du nur aus mir? Ich freue mich so aufs Bett, aber allein, ganz allein!
Dein Katerchen
PS: Wegen der Ferien wird kaum ein feuriger Mann in Berlin sein! Ätsch! Und die Hälfte der Mitarbeiter beim Tagesspiegel ist auch im Urlaub. Das wird der Grund sein, warum Du erst nächste Woche eine einzige schlappe Zuschrift erhalten wirst.
5. August – 17:22 Uhr
Mein Liebster,
überraschenderweise bin ich topfit. Aber es sind letztlich immer zwei Tage, die bei unserer Begegnung dahingehen. 1. Tag Liebe, 2. Tag Erholung!!!
Kommst Du, um Claudios Verband zu wechseln? Er ist schon wieder fröhlich, auch wenn er noch nicht laufen kann.
Kuss
ta cherie
5. August – 18:41 Uhr
Dass Du top bist, weiß ich auch, aber ob fit?
Nach etwas Schlaf geht es mir nun besser. Heute werde ich mir etwas mit wahnsinnig viel Knoblauch kochen. Soll die Potenz heben und die nächste Liebesnacht droht mir ja am Samstag! Ganz, ganz früh und ganz, ganz allein ins Bett, das ist das Einzige, woran ich noch denken kann.
Dein Amore
5. August – 21:01 Uhr
Na, Du scheinst mir ja doch ein bißchen wehleidig zu sein!
Und wenn es wirklich so schlimm ist:
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