Tastenfieber und Liebeslust
vor, ich würde es tun. Versprochen?
Ich freue mich darauf, vierzehn Tage mit Dir allein zu sein.
Du siehst, meine Liebste, tot bin ich noch nicht. Ich habe mir vorgenommen, in 33 oder 34 Jahren sanft, von einem wunderschönen Leben beglückt und mit strahlenden Augen in Deinen Armen einzuschlafen! Bis dahin werde ich noch recht munter sein, selbst wenn es Dir manchmal etwas zu viel wird, und das rechte Schultergelenk am nächsten Tag noch wehtut.
Warum bist Du nicht hier, meine geliebte Eva?
Dein stolzer Geliebter Max
7. April – 01:32 Uhr
Amore,
wir werden irgendwann, wenn wir die 14 Tage gut überstanden haben, zusammen nach Leipzig fahren, und dann wirst Du die große und vielfältige Musikkultur dieser Stadt kennen und lieben lernen. Das kann gar nicht anders sein.
Bach, Mendelssohn, Clara und Robert Schumann, Wagner, Leibniz, Körner, Hiller, Blüthner, Sternheim, Max Beckmann und viele, die mir jetzt nicht einfallen, lebten dort, und ihr Geist ist noch immer spürbar. Deswegen, nur wegen der Künste kommen die Menschen nach Leipzig und staunen. Nicht wegen des ›Leipziger Allerlei‹, um nur kurz das Thema Kochen zu streifen.
Kunst hat mich immer hochgehalten, wenn es mir schlecht ging, sie ist mit dem Heiligen verbunden. Aber sie ist nichts von uns Abgehobenes oder Abgetrenntes. Sie vereinigt alles – auch den Gott Eros.
Ich liebe Dich, mein Max, es ging alles so schnell und so leicht. Hilfe!
Deine Eva
PS: Apropos Nachteule:
es ist doch ganz egal, ob man am Tag oder in der Nacht lebt.
Hauptsache, man lebt.
Egal, ob man sich am Tag oder in der Nacht liebt.
Hauptsache, man liebt sich.
Ob man am Tag oder in der Nacht liest.
Hauptsache, man liest. Usw. Meinst Du das nicht auch?
7. April – 10:21 Uhr
Es ist auch egal, ob man am Tag oder bei Nacht faulenzt. Hauptsache, man faulenzt. Es ist auch egal, wie viel Wein man trinkt. Hauptsache, man trinkt! Es ist auch egal, was man isst. Hauptsache, es ist Lammfleisch! Es ist auch egal, wie viel Geld man hat. Hauptsache, die Börse ist immer leer! Und es ist auch egal, was Du machst. Hauptsache, Du liebst mich!
7. April – 19:55 Uhr
Mein geliebtes Evachen,
ich möchte Dir vorm ins Bett Gehen noch mitteilen, was Dich in unserem mecklenburgischen Häuschen erwartet. Ich denke, ich bin Dir diese ehrliche Auskunft schuldig! Bisher habe ich mich ja nur von der gesellschaftskonformen Seite präsentiert. Du solltest nun endlich wissen, wie es tatsächlich um mich steht und kannst Dich dann frei entscheiden, ob Du mich sehenden Auges in den tiefen Wald begleiten oder doch lieber die Zeit in wohltemperierten Konzertsälen verbringen willst.
Wie Dir bekannt sein dürfte, haben alle männlichen Mitglieder uradliger Familien auffallend lange, spitze Eckzähne. Ich habe sie nicht, weil man meine – wegen der Gefahr für reinrassige, blauhäutige und blondäugige deutsche Jungfrauen – schon kurz vor der Pubertät gezogen hat. Mein Zahnverlust hat zwar auf Jungfrauen schützende Wirkung, macht sich aber durch besonderen Appetit auf Frauen bemerkbar, die über einen differenzierten und breit sortierten Erfahrungsschatz mit unterschiedlichen Liebhabern verfügen!
Aus eigener, lustvoller Gier, aber auch aus einem tief verwurzelten Traditionsbewusstsein mache ich mich dann nachts über die Auserwählte her. Es kommt dann einfach über mich, es ist über mir und in mir, und nichts kann mich zurückhalten!
Vielleicht bist Du in Deiner grenzenlosen Güte und Hingabe sogar bereit, Dich zu opfern und mich von meinem Fluch zu erlösen. Dann könnte ich endlich zum Zahnarzt um die Ecke gehen und mir ein anständiges, gutbürgerliches Gebiss herstellen lassen. Der etwas ältere Zahnarzt im Nachbarhaus schaut mich schon immer so komisch an, wenn ich an ihm vorbeigehe. Ich traue mich gar nicht mehr, in seiner Gegenwart zu lachen, was ich doch eigentlich gern tue. Aber vielleicht ahnt er ja nichts und hofft nur, dass ich privat versichert bin.
Wie das so ist mit den 68ern: Die haben keine Ahnung vom Adel, dessen Stärken und Schwächen, haben nur Marcuse, Adorno und Hegel im Kopf, sind unwissend in der Mythologie, und im Alter denken die Jungs doch nur an die Rente. Wenn sie dann aber gebissen werden, wundern sie sich.
Ach, mein liebes Evachen. Ich freue mich, wenn ich Dir viele lustige Mails gesandt und Dich zum Lachen verführt habe. Aber es gibt leider Dinge und Situationen im Leben, die nicht komisch sind, die als
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