Tastenfieber und Liebeslust
ohne Ende und Liebe auch!
Deine Animod
9. Juni – 20:00 Uhr
Mein geliebtes Evachen,
obwohl Du nun zwei Tage nicht ans Internet kommst, will ich meinen Pflichten als ehrenwerter Liebhaber nachkommen und Dir viel Belangloses auf Vorrat schreiben.
Zuerst: Vielen Dank für das Foto. Ich habe mich gefreut, denn ich habe Dich nach drei Wochen der Einsamkeit wieder leiben und leben gesehen. Da ich beim letzten Mal ja Fotos mitgenommen habe, bin ich nun in zwei Zimmern sehr gut mit Dir versorgt.
Heute habe ich mich wieder einmal ausgetobt, dieses Mal mit Bohren (nicht was Du denkst), Hämmern, Sägen. Einen kleinen Schlüsselschrank habe ich mühsam umgebaut, eigentlich nur die Scharniere und Beschläge verändert, aber wenn man nur im Bücken arbeiten und nichts einspannen kann, auch kein professionelles Werkzeug hat, sind selbst kleine Tätigkeiten lang dauernd und anstrengend. Morgen müsste ich endlich meine Traumlampe fertig haben. Ich freue mich schon sehr auf den Moment, in dem ich sie zum ersten Mal anmache. Du siehst, dass auch ich nicht faul bin.
Ab und zu muss ich mal mit dem Kopf arbeiten, was mir sehr schwerfällt, aber es ist nun mal die einzige Möglichkeit, an das notwendige Kleingeld zu kommen, um meiner Geliebten gelegentlich Blumen schenken zu können.
Nach Kleesten war ich ziemlich pleite, sodass ich mich selbst mit kleinen Aufmerksamkeiten sehr zurückhalten musste. Genau so, wie ich Dein Buch las, könntest Du ja mal meinen Sermon lesen, den ich Dir als Anhang mitsende.
Global gesehen, sind meine geistigen Leistungen wichtiger als Deine, denn ich tue was für den Klimaschutz. Klar? Ob allerdings ein Nichtfachmann versteht, was ich geschrieben und vorgeschlagen habe, weiß ich nicht.
Dein liebes Angebot, mir Schuhe, Hosen etc. aus Italien mitzubringen, habe ich ambivalent registriert. Hast Du den Eindruck, dass ich dies alles brauche? Schuhe habe ich mindestens zwölf Paare, alles Budapester Stil. Andere trage ich nicht.
Hemden habe ich 200.000, allerdings alle nicht gewaschen. Hosen, na ja. Da benötige ich dringend welche. Aber ich muss noch ein bis zwei Monate warten, und dann schlage ich zu. Was mir wirklich Freude machen würde, wären Joggingschuhe, aber mit Klettverschluss. Ich bin zu faul, schon am frühen Morgen Schnürsenkel zu binden.
Tausend Küsse
Dein Geliebter
10. Juni – 12:57 Uhr
Mein Liebling!
Immer wenn ich an Dich denke, dann denke ich nur an das Eine! Überall, wo ich bei Dir eindringen kann, möchte ich jetzt, sofort und mit allem, was ich habe, hinein! Du hast mir ja was vom Rausch erzählt, und dass dieser nach kürzerer oder längerer Zeit erlöscht. Du bist erfahren, es wird also stimmen. Aber solange dieser noch anhält, möchte ich auch nur an das Eine denken. Nimm es mir bitte nicht übel, die Zeit, in der wir nicht mehr – nur – Mann oder Frau, sondern auch Menschen sind, wird schon kommen! Hauptsache nicht so bald, denn ich möchte noch viele rauschhafte Stunden mit Dir verbringen, werde auch dafür Literatur wälzen und versuchen, Dich mit lustbringenden Neuigkeiten zu überraschen! Ich kann’s bald nicht mehr aushalten! Was hast Du nur aus mir gemacht?
Ich liebe Dich!
Dein Knecht
11. Juni – 18:44 Uhr
Mein lieber Schatz,
habe mir gerade Deinen Aufsatz ausgedruckt und werde ihn zu Hause lesen, denn ich sitze heute in einem Internatcafé in Otranto, einer beeindruckenden Stadt mit einem Castello Aragonese, so schoen, dass man in Ohnmacht fallen koennte: Basilika aus dem 8. Jh., Kathedrale aus dem 11. Jh. usw. Dazu das Meer, die Sonne, die Pinien, Palmen, es ist zu schoen!
Wie schade, dass ich das alles nicht mit Dir teilen kann. Wie soll das nur in Zukunft werden, wenn Du nie mitkommst? Eigentlich suchte ich doch jemanden, der mein Leben teilt, sodass ich nicht mehr alleine verreisen muss.
Ich moechte gerne wieder in Italia leben, halb Berlin, halb hier. Es ist mein Land. Und in der Waerme bluehe ich einfach auf.
Caro, bald sehen wir uns wieder. Sybille draengelt.
Kuesse von Deiner Eva
12. Juni – 18:59 Uhr
Guten Abend, lieber Cavaliere!
Ich schicke Dir viele weiche Kuesse in den strengen Norden!
Heute Abend ist ein Fest fuer den Hl. Antonio, auf dem es aber sehr weltlich zugeht.
Wolfgang Fleischhauers Roman ›Die Schule der Lügen‹ spielt in der Welt des Adels, musst Du unbedingt lesen. Der Autor ist hochbegabt und gluecklicherweise erfolgreich. Das hat er verdient.
Sei umarmt, liebes Herz, gib Claudio einen
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