Tastenfieber und Liebeslust
und mit allem Fleisch erfasst und in ein Zwischenreich trägt?
»Il Dio adorato«, wie er in den Gedichten der Renaissance genannt wird.
Und da er ein Gott ist, ist das, was er uns in diesen Augenblicken und ebenso in dieser Unendlichkeit schenkt, heilig.
Mit Sex hat das nichts zu tun, was ich jetzt meine. Sex kann so leer sein wie die Leere, die er hinterlässt, und die man nur wieder aufsucht, um sie mit neuer Leere auszutauschen.
Eros verwandelt uns in einen einzigen Pulsschlag, und da er seine Gunst nicht oft verschenkt, lernt man erst spät zu verstehen, dass nur die Sprache des Körpers ehrlich ist, nicht die der Worte und Gesten, die überdacht und gesteuert sind.
Ich bin ganz sicher, dass er, ›il Dio adorato‹ in Deinen und meinen Pulsschlag eingezogen ist, und dies uns Rausch, Sehnsucht und Sucht, Hingabe und Lust und Bezogenheit aufeinander gibt.
Wahrscheinlich sollen wir beide Ehrlichkeit über diesen Weg lernen und erfahren. Ehrlichkeit, den Wünschen und Träumen gegenüber, die wir bisher nie geäußert haben, nicht den Mut hatten, sie in Sprache, in Worte zu fassen. Sehnsucht nach der Hingabe, die archaisch unter unserer Haut wohnt, die kraftvoll und maßlos ist, und die in unserer Begegnung endlich den Mut findet, zu sprechen, in der ehrlichen Sprache, die der Körper spricht. Ja, je mehr ich über uns nachdenke, umso mehr empfinde ich, dass dies der Sinn unserer Begegnung sein muss, denn Lebensführung, Interessen und Vorlieben binden uns nicht so stark aneinander, verbinden uns nicht.
Seit drei Tagen ist ein Nachbarhaus bewohnt. Jeden Tag, pünktlich um 13 Uhr essen diese jungen Menschen zu Mittag, danach spielen sie Karten, stundenlang auf der Veranda. Sie lachen nicht, reden nicht miteinander, agieren stumm. Punkt 21 Uhr brennt das Licht im Haus nicht mehr. Ein Ehepaar vielleicht, oder ganz sicher? Wie schafft man es, bereits in der Jugend so anspruchslos zu sein?
Zwei wunderschöne Bäume stehen vor meinem Haus, noch innerhalb des Zaunes. Nadelbäume, die ihre Zweige mit grünen Tänzerinnenfingern in die Luft tasten lassen. Ganz wunderbar leicht und anmutig.
Gegenüber ein mit Früchten überladener Feigenbaum, die vor Süße zu platzen drohen. Jeden Morgen begrüße ich ihn und klaue ihm mindestens fünf Feigen. Und links und rechts schütten große Oleanderbäume ihre roten und rosanen Blüten aus. Hier will ich mit Dir sein. Im September.
Wenn Du nicht mitkommst, könnte es sein, dass Eros sich von Dir abwendet. Willst Du das wirklich riskieren? Man darf sich nicht gegen ihn wenden. So sind Götter nun mal. Streng und fordernd und gnädig.
In vier Tagen liege ich wieder nackt in Deinen Armen!!! In meiner Vorfreude lege ich Dir nun 1.000 Oleanderblüten ins Kuvert.
Deine Eva
6. Juni – 20:29 Uhr
Meine Perle,
vielen, vielen Dank für Deinen lieben Brief mit den Blütenblättern. Die Blumenrasse konnte ich zwar nicht mehr ausfindig machen, aber zart geduftet haben die Blätter immer noch.
Ich habe immer noch nicht in dem Buch ›Wie werde ich ein perfekter Liebhaber‹ gelesen. Ich möchte am liebsten alles von Dir in vivo und nicht aus einem Buch lernen. Du bist eine so wunderbare Lehrerin, nein mehr, eine professoressa, ich möchte zeitlebens Dein getreuer Schüler sein!
Für mich ist die Liebe zu Dir auch ein schönes und großes Erlebnis. Ich kann es noch gar nicht richtig fassen und bemühe mich auch nicht, durch Nachdenken irgendetwas zu verstehen. Sie ist einfach über mich gekommen, das reicht, und ich bin glücklich.
Nun schlaf schön und träume davon, dass ich Dein Perlchen mit der Zunge streichle. Dieser Gedanke macht mich und meinen Max ganz unruhig. Was ist Dir denn lieber: Morgens zum Aufwachen, abends vor dem Einschlafen oder sowohl als auch? Mein Liebling: Ich bin so glücklich! Werde es aber noch mehr sein, wenn ich Dich wieder in den Armen halten kann. Es ist ja nicht mehr lange.
Dein gelehriger Berufsschüler (2. Lehrjahr)
7. Juni – 19:04 Uhr
Mein Liebster,
Sybille fotografiert mich und morgen schicke ich Dir ein Bild, ja? Ich freue mich, wenn Du gluecklich bist mit mir! Ich bin auch gluecklich, dass ich Dich habe. Aber ich moechte nicht Deine Lehrerin werden, bitte nicht! Du kannst Dir doch selbst was überlegen, ich denke, Du bist ein Erfinder! Und dann geschehen Schoenheiten, die ich noch gar nicht kenne. Das waere traumhaft!
Seit zwei Tagen bewoelkt! Aber es ist warm und zarter Wind umschmeichelt den Koerper.
Kuesse
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