Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
entfernt sind. Als sie von deiner Verantwortung sprach«, erklärt sie.
Scheiße. »Ich bin mir nicht mal sicher, was das heißen soll.«
Sie schnieft. »Das heißt, dass ich nach allem, was ich in den letzten zwei Tagen darüber gehört habe, was ich bin, auf keinen Fall gut genug für dich bin.«
All diese Wörter überschlagen sich in meinem Kopf, doch ich kriege keines davon zu fassen, und selbst wenn es mir gelänge, bekäme ich sie nicht in die richtige Reihenfolge. Nicht gut genug für mich? Das ist doch eigentlich zum Totlachen, aber ich glaube nicht, dass sie in diesem Bett bleibt, wenn ich jetzt loslache.
»Christina, du bist mehr als nur gut genug«, sage ich, und – Gott – das klingt so bescheuert, dass ich doch fast anfange zu lachen.
»Vor ungefähr einer Stunde hast du es praktisch selbst gesagt«, flüstert sie. » Als bräuchten wir noch mehr von euch hier. Du hast dich angehört wie einer von diesen Bishop-Typen.«
Ich reibe mir mit einer Hand übers Gesicht. »Es tut mir leid. Ich will bloß nicht, dass noch mal jemand auf uns schießt. Aber ich hätte das so nicht sagen sollen. Bitte …«
Sie dreht sich zu mir um, und ich erhasche einen Blick auf ihr tränenüberströmtes Gesicht, bevor sie es an meiner Schulter vergräbt. »Das Traurige ist, ich weiß das eigentlich. Und mir geht es genau wie dir; glaubst du etwa, ich will, dass jemand auf diesem Planeten einmarschiert? Es ist nur … ich weiß nicht, was ich bin«, sagt sie mit erstickter Stimme. »Ich habe keine Ahnung, was ich bin.«
Diesmal ist ihr Schluchzen leiser, doch nicht weniger schmerzlich anzuhören. Sie hindert mich nicht daran, sie an mich zu ziehen und auf den Kopf zu küssen. Ich halte sie, bis ihr Schluchzen zu kleinen schluckaufähnlichen Schauern wird, bis sie sich endlich in meinen Armen entspannt. Und während ich das tue, denke ich darüber nach, was sie ist und was ich bin. Bis vor wenigen Tagen war ich einfach nur der Typ, der in der Freundinnen-Lotterie den Jackpot gewonnen hat, und sie war das Mädchen, das verrückt und geduldig genug war, um bei mir sein zu wollen. Was ist jetzt anders? Was hat sich geändert?
Um Punkt 12:47 Uhr habe ich die Antwort.
Nichts.
Es hat sich überhaupt nichts geändert.
»Ich weiß, was du bist«, flüstere ich in ihr Haar. »Du bist Christina Scolina. Du bist als Fußballerin links außen besonders gut. Du hast das tollste Lachen, das ich je gehört habe. Du bist so schön, dass es mich verrückt macht. Du bist meine beste Freundin. Und … ich liebe dich.«
Ich mache mich auf alles gefasst, weil ich gerade etwas laut ausgesprochen habe, das zu riesig ist, um es rauszulassen, aber auch zu wichtig, um es für sich zu behalten. Aber Christina ist völlig still. Mit klopfendem Herzen lehne ich mich zurück und schaue auf sie hinab.
Sie ist eingeschlafen.
Total weggetreten. Erschöpft und überanstrengt. Mit einer Gehirnerschütterung. Es überrascht mich, dass sie überhaupt die Kraft aufgebracht hat, so lange zu weinen.
Dieses Mal lache ich doch, leise, hier im Dunkeln. Es ist egal, ob sie mich gehört hat; es ist noch da, ist noch real. Diesmal ist es an mir, ihr zu sagen: Mit mir ist alles in Ordnung, und mit dir ist alles in Ordnung, und wir stehen das gemeinsam durch. Ich werde meinen Teil tun, worin auch immer er besteht. Im Stillen verspreche ich ihr, stark genug zu sein, und ich werde auch clever genug sein. Ich krieg das wieder hin. Ich werd’s verstehen.
Noch bin ich nicht mein Vater, nicht einmal nahe dran. Und genau jetzt würde ich eine Menge dafür geben, ihn hier zu haben. Ich will, dass er mir sagt, was er sich gedacht hat, was ich genau tun soll, wenn ich wieder in sein Labor komme. Ich will von ihm wissen, wie all diese Puzzleteile zusammenpassen: Josephus, die versteckten H2-Artefakte, der Scanner, der Bevölkerungszähler und seine Anomalien, die Pläne, die dieser Bildschirmschoner verborgen hat … Aber es ist nicht nur das.
Ich hätte nie gedacht, dass ich so empfinden würde, aber … ich vermisse ihn. Jetzt, da er fort ist, wird mir klar, was ich sonst noch verloren habe. Er hat mich geliebt. Er hat es nie gesagt, aber ich weiß, dass es so war. Er hat es jedes Mal gezeigt, wenn er mich gedrillt hat, jedes Mal, wenn er mich gezwungen hat, eine Extrarunde zu laufen oder noch mehr Gewichte zu heben, jedes Mal, wenn er mir diese schrecklichen Proteinpäckchen in die Tasche gepackt oder auf den Teller gelegt hat. Er wollte, dass ich stark bin, dass
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