Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
meines Dads durchsehen zu lassen. Erst recht nicht, weil im Blick meiner Mutter ein winziges bisschen Anspannung liegt, wenn sie ihn ansieht. »Die Entschlüsselung wird ein paar Stunden dauern. Bis zum Frühstück sollte ich fertig sein.« Ich greife auf meinen eigenen Server zu und starte den Download des Entschlüsselungsprogramms. Sobald ich es zum Laufen gebracht habe, lehne ich mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust. »Jetzt habt ihr Zeit, mich in euren Plan einzuweihen.«
Sie erklären, dass wir jetzt die Zeit bis zu Georges Ankunft nutzen werden, um mit den entschlüsselten Dateien so viel über den Scanner herauszufinden, wie wir nur können. Sobald George ankommt, transportiert er den Scanner zu einem sicheren, neutralen Ort, der weder dem Kern noch den Fünfzig bekannt ist. Wenn es um irgendjemand anderen als um George ginge, würde ich auf der Stelle Scheißdreck rufen, aber schließlich war er der Einzige, dem mein Vater vertraut hat. Sobald der Scanner in Sicherheit ist, wird Charles als Abgesandter zum Kern gehen, und meine Mutter und George werden sich an die Fünfzig wenden. Erst wenn beide Seiten eine Einigung erzielen, wird der Scanner zurückgeholt.
Ich erwähne nicht, dass ich meinen eigenen Plan habe. Diese Dateien, die meine Mom ausgegraben hat, kratzen nicht einmal an der Oberfläche dessen, was mein Dad noch auf seinem Server hat. Der Großteil seiner Arbeit – inklusive des Bevölkerungszählers und der Entwürfe und Pläne, die dieser verschleiert hat – ist von keinem anderen Rechner aus zugänglich. Es gibt einen Hauptcomputer, auf dem Systeme sind, an die ich nicht rankam. Aber wenn ich in das Labor meines Dads hereinkomme, werde ich alles finden. Dad hat mir hinterlassen, was ich brauche, da bin ich mir sicher. Ich muss bloß denken wie er. »Wenn die Zeit kommt, ist es Josephus«, hat er gesagt. Und jetzt, da ich mit Dads System verbunden bin, da bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass »Josephus« überhaupt keine Person ist; vielleicht ist es ein Passwort.
Ich kann Georges Eintreffen kaum erwarten. Er könnte etwas darüber wissen, was mein Dad mit dem Scanner vorhatte. Vielleicht können wir auch zurück zu seinem Labor fahren und es herausfinden, während der Scanner an einem sicheren Ort ist. Es wird schwierig genug, die grundlegende Mechanik des Scanners zu durchschauen, auch wenn das Entschlüsselungsprogramm seinen Teil dazu beigetragen hat. Als Kopfschmerzen an einer Stelle hinter meinen Augen zu nagen beginnen, sage ich Mom und Charles Gute Nacht und stapfe zurück ins Gästezimmer, um die Zeit zwischen jetzt und dann voll auszunutzen.
Christina schlingt ihren Arm um meine Taille und schnüffelt an meinem Hals, als ich neben sie krieche. Sie macht dieses süße Geräusch, diesen verletzlichen Ton, auf den mein Körper automatisch reagiert, und ich schließe sie fester in meine Arme. Ich atme mit ihr, tief und langsam, und spüre erleichtert, dass mir dieser Rhythmus das gibt, was ich seit Stunden brauche: die Möglichkeit, allem eine Zeit lang zu entkommen. Jetzt, da ich einen Plan habe, jetzt, da ich nach bestem Wissen handele , wie mein Dad gesagt hätte, habe ich mir diese Erholung verdient. Ich schließe die Augen, tue so, als wäre wieder Montag, und lasse mich forttragen.
DREIUNDZWANZIG
Das Erste, was ich wahrnehme, ist das schwache, flatternde Kitzeln an meiner Kehle. Ich liege im Dunkeln und sauge das Gefühl in mich auf.
Christinas Wimpern.
»Bist du wach?«, flüstere ich so leise, dass ich sie nicht aufwecke, falls sie doch noch schlummert.
»Ja. Ich hab ja gestern fast den ganzen Tag im Auto geschlafen.«
»Wie lange bist du schon wach?«
»Lang genug, um zu wissen, dass du schnarchst.«
»Stimmt doch gar nicht!« Oder doch?
Sie lacht. »Nein, stimmt nicht. Du machst nur manchmal diese lustigen Schnüffelgeräusche.«
Ich reibe mir die Augen. »Danke, gut zu wissen.«
Ihre Hand tastet über meine Taille bis zu meiner Brust, über mein Herz. Ich lege meine Hand auf ihre. »Mir tut das alles so leid«, sage ich.
»Das weiß ich. Und ich weiß auch, dass du deswegen Schuldgefühle hast.«
»Ich will es wiedergutmachen. Aber es ist …« Ich starre an die Decke. Verschlüsselte Dateien? Easy. Meine Beziehung mit Christina? Da tappe ich immer noch im Dunkeln.
Ihr Atem streift die Mulde unten an meinem Hals. »Es gibt für dich nichts wiedergutzumachen. Wir müssen es zusammen schaffen.« Sie küsst mich auf die Wange. »Und das
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