Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
einfach.«
»Wir?«
Christinas Schultern beben wieder und ich blinzele und schaue dann weg. »Ich bin mit einer Freundin hier.«
»Und habt ihr die Erfindung deines Vaters dabei?«
Sie liegt vor dem Rücksitz auf dem Boden, neben dem säuberlich polierten Schuh meines Vaters. Auf seiner Spitze befinden sich Blutströpfchen.
»Ja. Warten Sie – wieso wissen Sie von der Erfindung?«
»Weil er sie für Black Box gemacht hat, und sie muss sichergestellt werden. Das Beste ist, wenn du so weit wie nur irgend möglich von der Innenstadt entfernt bist. Könnt ihr nach Princeton fahren? Da haben wir einen sicheren Unterschlupf. Treffen wir uns da irgendwo?«
»Ich treffe mich am Stadion mit Ihnen.« Als würde ich mich von außen beobachten, frage ich mich, wieso das der erste Ort ist, der mir in den Sinn kommt. Dann fällt mir wieder ein, dass Dad als Absolvent von Princeton mich ein- oder zweimal pro Jahr zu den Spielen mitgenommen hat.
Diese Erinnerungen gehören zu den sehr wenigen glücklichen, die ich mit ihm habe.
Ich reibe über meine schmerzende Brust und öffne den Mund, um zu sagen, dass wir uns doch woanders treffen, doch bevor ich auch nur ein Wort hervorbringe, sagt Brayton: »Klingt gut, ich hole dich ab. Ich kann um halb drei da sein. Anscheinend halten sie den Vorfall an deiner Schule noch geheim, aber bleib trotzdem in Deckung und sei vorsichtig.«
Ich schaue auf das Telefon und kann es nicht fassen, dass wir noch nicht einmal ein Uhr haben. Dieser Tag dauert doch schon eine Ewigkeit.
»Okay.« Das kommt leise und angestrengt raus, aber er scheint mich gehört zu haben, denn er legt auf.
Meine Hand sinkt in meinen Schoß und ich starre das Telefon an, die glatte Oberfläche verschmiert von meinen Fingerabdrücken. Dann drücke ich auf die Taste KONTAKTE und blättere durch. Ein Haufen Namen, die mir nichts sagen. Und dann kommt einer, den ich kenne.
Mitra Archer.
Meine Mutter.
Die zufällig Professorin für Biochemie in Princeton ist.
Bevor ich weiß, was ich da tue, drücke ich auf Anrufen . Doch als es anfängt zu klingeln, wird mir klar, wie dringend ich ihre Stimme hören muss, weil sie die Einzige ist, die jetzt dafür sorgen kann, dass ich mich sicher fühle. Ich weiß, dass sie uns verlassen hat, aber ich bin immer noch so fertig wegen allem, was passiert ist, dass ich einfach meine Eltern brauche. Und meine Mom ist die Einzige, die mir noch geblieben ist. »Geh ran«, flüstere ich. »Bitte geh ran.«
Sie geht nicht ran. Ihre kühle, selbstsichere Stimme teilt mir mit, dass sie gerade nicht abkömmlich ist und ich eine Nachricht hinterlassen soll. Aber ich kann nicht. Was zum Teufel soll ich auch sagen? Also lege ich auf und verschwende dann mehrere Minuten damit, eine Nachricht zu formulieren. Immer wieder lösche ich, was ich geschrieben habe. Am Ende lautet der Text: Bin unterwegs nach Princeton. Bitte ruf mich an, sobald Du das liest.
Erst als ich die SMS abschicke, geht mir auf, dass meine Mutter denken wird, die Nachricht sei von meinem Dad. Ich senke die Stirn auf die Knie und atme durch, damit mein Herz etwas langsamer schlägt und ich mich in dem Ödland zwischen meinen Ohren besser zurechtfinde. Die ganze Situation ist so dermaßen scheiße, dass es doppelt so wichtig ist, dass ich mich wieder fange. Ich muss nachdenken. Ich muss mir was einfallen lassen.
»Welches Stadion?«, fragt Christina.
»Was?«
Es klingt grob und gereizt. Ich höre, wie sie tief ausatmet, bevor sie wieder zu sprechen ansetzt. »Du hast gesagt, wir fahren zu einem Stadion«, sagt sie etwas lauter. »Zu welchem?«
»Princeton«, erwidere ich.
»Dann muss ich über die Brücke zur Schnellstraße fahren, und wir müssen tanken, solange wir noch in New York sind.« Der Wagen wird langsamer. »Ist da … ist da irgendwas, womit du ihn zudecken kannst?«
O Gott.
Im totalen Zombie-Modus schaue ich in den Kofferraum und sehe, dass da eine Plane über einer Computerausrüstung liegt. Ich reiße sie herunter und halte den Atem an, als ich das Gesicht und den Körper meines Dads mit der Plane bedecke und ihn in den Fußraum des Geländewagens lege. Dann benutze ich mein ruiniertes, durchtränktes Hemd, um so viel Blut wie möglich vom Sitz zu wischen.
Christina verlässt den Highway und hält auf eine Tankstelle in der Nähe der George Washington Bridge zu. Ich mache mich klein, weil ich halb nackt hier hinten sitze und wir ohnehin Gefahr laufen, jemandem aufzufallen; das Fahrzeug mag zwar kugelsicher
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