Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
Licht. Er dreht sich im Kreis und starrt die Leute um sich herum an.
Er ist auf der Suche nach mir.
Ich mache einen Satz zurück, weil sein Blick die Rolltreppe heraufgeht. Mein Herz zu einer schmerzenden Faust geballt, laufe ich zum Gleis. Christina ist schon eingestiegen. Wir haben es gerade so geschafft, und jetzt kann ich nur noch daran denken, wie sehr wir nun darauf angewiesen sind, dass dieses Ding sich in Bewegung setzt und uns von diesem Ort wegbringt. Wir stehen an einer Verbindungsstelle zwischen zwei Waggons, drücken uns gegeneinander, halten den Atem an, wobei sie auf der einen Seite zum Fenster hinaussieht und ich auf der anderen. Ich will ihr nicht erzählen, dass Lamb hier ist. Ich will nicht, dass sie noch mehr Angst bekommt, als sie ohnehin schon hat.
Nach einer Million Jahren fährt der Zug endlich ruckelnd an. Ich lege einen Arm um Christinas Taille und halte sie fest, was sie geschehen lässt. Aus unserem Versteck beobachte ich, wie der Bahnsteig sich entfernt. Als wir an Tempo zulegen, betritt Lavin persönlich den Bahnsteig, den Blick auf die Fenster des letzten Waggons gerichtet. Sein Kiefer ist angespannt und seine Lippen bilden eine straffe, dünne Linie.
Ich behalte ihn im Auge, bis helle Sonnenstrahlen über uns hereinbrechen und wir davoneilen.
NEUN
Wir haben es geschafft. Wir haben es hingekriegt, dass nicht noch mal auf uns geschossen wurde, und wir sind unterwegs nach Princeton, wo wir uns mit Brayton treffen und herausfinden werden, was zum Teufel hier eigentlich vor sich geht. Die Erleichterung haut mich beinahe um, oder vielleicht ist es auch die Erschöpfung in Kombination mit den Nachwirkungen der Erkenntnis, in einen schweren Autounfall verwickelt gewesen zu sein. In jedem Fall fühlt es sich für eine oder zwei Sekunden ziemlich gut an … bis Christina ihre Arme von meiner Hüfte nimmt, sich mit zusammengesackten Schultern einen Sitzplatz sucht – und mir etwas klar wird.
Mit uns ist nicht alles in Ordnung.
Ich folge ihr und denke noch einmal über alles nach, was sie in den letzten dreißig Minuten getan hat. Mich aus einem Autowrack gezogen, mich zur New Jersey Transit Station geführt, ihren Charme eingesetzt, um uns ein paar neue Klamotten zu besorgen. Sie hat alles getan, was nötig war, damit ich da rauskomme und mich in Sicherheit bringen kann. Aber jetzt, da ich sicher bin, dass die Dringlichkeit vorbei ist, zieht sie sich zurück. Vermutlich erinnert sie sich daran, wieso sie überhaupt vor mir davongelaufen ist.
Ich lasse mich neben sie auf den Sitz fallen. Sie löst den Knoten in dem rosa Hemd und macht die übrigen Knöpfe zu. Sie ertrinkt darin. Dann zieht sie den Schal aus dem verwickelten Wirrwarr auf ihrem Kopf, lässt ihr Haar offen über die Schultern fallen und klemmt es sich hinter die Ohren. Mit dem Rucksack auf dem Schoß sitzt sie da und starrt aus dem Fenster.
»Hey«, sage ich sanft.
Sie schaut weiter aus dem Fenster.
»Ich bin ein Arschloch«, gebe ich zu. Ich streiche mit den Fingern über ihren Arm, damit sie weiß, dass ich da bin, sie aber nicht drängen werde. Sie weicht zwar nicht zurück, kommt mir aber auch nicht entgegen. Zwischen uns ist etwas zerbrochen, und ich weiß nicht, wie ich das reparieren soll, ob es überhaupt repariert werden kann. Ich verschränke die Arme vor der Brust und gucke nach vorn.
Ich kann nicht glauben, dass das passiert. Nichts von alldem. Ich schließe die Augen und lasse zu, dass der klopfende Schmerz in meinem Kopf meine Gedanken vernichtet. Sie sind ohnehin allesamt zu hässlich, um sie genau jetzt zu untersuchen.
Etwa zwanzig Minuten bevor wir am Bahnhof von Princeton ankommen, schalte ich mühsam wieder in den Planungsmodus und ziehe Dads Telefon hervor. Mein eigenes Handy war in der Tasche, die er in diesen letzten Minuten, bevor alles scheiße wurde, von sich geschleudert hat. Nicht dass ich es sonst benutzen würde; ich bin mir sicher, dass es geortet werden könnte. Mit dem Handy meines Dads ist das eine andere Sache. Er hat es selbst entworfen, und nichts, was er gemacht hat, könnte jemals geortet werden. Das weiß ich, weil ich es ausprobiert habe.
Ich schicke Brayton eine Nachricht, in der ich ihm mitteile, dass wir uns verspäten werden. Er antwortet sofort.
Bist Du noch in Secaucus?
Den GPS -Peilsender an dem schwarzen Geländewagen von Black Box habe ich ganz vergessen.
Hab den Wagen stehen lassen und den Zug genommen. Kann gegen vier Uhr am Stadion sein.
Wenige Sekunden später
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