Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
unterhalb des Stadions gelangt.
Als wir in der Nähe des Nordeingangs sind, vielleicht zehn Meter entfernt, ziehe ich Christina zwischen zwei enorme Säulen und streife mir den Rucksack von den Schultern. Ich luge um die Ecke und spähe eine lange Betontreppe hinauf, bis dahin, wo die zwei Metallskulpturen der Princeton Tigers stehen, die auf die Straße schauen. Keiner da. Bis jetzt.
Ich knie mich hin und hole die Alufolie aus dem Rucksack, zusammen mit den leeren Gatorade-Flaschen. Christina kauert neben mir, während ich anfange, Streifen von der Folie abzureißen und sie zu Bällen in der Größe von Murmeln zusammenzuknüllen. Ungefähr zwölf davon stecke ich in eine Flasche, stelle sie beiseite und mache dasselbe mit der nächsten Flasche. Christina macht dasselbe mit der dritten Flasche. »Ich weiß, du hast irgendwas geplant, aber ich habe Angst zu fragen, was.«
»Weißt du noch, wie ich dir versprochen habe, dir bei Chemie zu helfen?«
Sie starrt auf die Flaschen, auf die blauen und roten Gatorade-Reste und auf die kleinen Folienbälle. Dann schaut sie wieder mich an. »Ja?«
»Tja, in gewisser Weise ist das hier eine realistische Demonstration von exothermen Reaktionen.«
Sie bedenkt mich mit einem verständnislosen Blick. Ich ziehe den WC -Reiniger aus der Tasche. »Hör zu, ich werde einfach nur mit dem Typen reden. Aber für den Fall, dass alles den Bach runtergeht, musst du genau das machen, was ich sage.«
Sie beißt sich auf die Lippe und ein Angstschauder kriecht meine Wirbelsäule hinauf. Ich zähle absolut darauf, dass sie mir Rückendeckung gibt. Wenn sie das nicht tut …
Meine Augen verweilen auf ihrem Gesicht, und als sie meinen prüfenden Blick bemerkt, wird ihr Gesichtsausdruck wieder weich.
»Ich versuch’s«, sagt sie.
Ich verbringe ein paar Minuten damit, ihr meinen Plan zu erklären und sicherzustellen, dass sie weiß, wie alles funktioniert, ohne dass sie dabei verletzt wird. Als ich fertig bin, werfe ich einen Blick auf die Uhr. Brayton müsste jetzt bald eintreffen. Ich stehe auf und ziehe Christina auf die Füße. Dann wende ich einen Hebelgriff aus dem Jiu-Jitsu-Training an und schließe sie in meine Arme.
»Ich vertraue dir«, erkläre ich ruhig, um dann den Kopf zu senken und sie zu küssen. Anfangs bin ich mir nicht sicher, ob ich das ernst meine – ich brauche sie jetzt einfach auf meiner Seite. Doch in dem Moment, als ich sie schmecke, weiß ich, dass ich davon nie genug bekommen kann, dass es niemals so lange dauern wird, wie ich es gern hätte. Christina legt die Arme um meinen Hals und lässt mich ihre Lippen, ihre Zunge, ihren Körper spüren. Mit jedem geteilten Atemzug versuche ich ihr mitzuteilen, dass mir meine grausamen Worte leidtun, dass mir alles, was passiert ist, leidtut. Ich weiß nicht, wie ich die Wärme ihrer Hände oder den sanften, verletzlichen Ton deuten soll, der ihrer Kehle entweicht. Ich hoffe, es bedeutet, dass sie mich hört. Wie immer die Übersetzung lautet, es weckt verzweifeltes Begehren in mir. Ich möchte so brennend gerne nehmen, was sie mir anbietet, weil ich keine Ahnung habe, was als Nächstes passieren wird.
Als ich mich schließlich von ihr löse, sind wir beide rot geworden. »Ich vertraue dir«, wiederhole ich und reiche ihr den Rucksack – und den Scanner. Nickend nimmt sie ihn; ihr Atem geht immer noch stoßweise.
Ich lasse sie mit unserem erbärmlichen Waffenlager zurück und eile zum Haupteingang des Stadions, wo ich mich auf die oberste Stufe stelle, zwischen die beiden gigantischen Tigerskulpturen. Vor mir liegt die Ivy Lane, und ich nehme an, dass Brayton da herkommt. Hinter mir, am Fuße der Treppe, gibt es eine kleinere Zufahrtsstraße, die einmal um das Stadion führt, und darüber, genau in der Blickachse der beiden Straßen, ist das Gebäude, in dessen Schatten sich Christina versteckt.
Die Sonne steht immer noch hoch über mir, wärmt mir das Gesicht und den Nacken und trocknet den kalten Schweiß, der auf meiner Haut perlt. Mein Herz pocht heftig, rappelt gegen meinen Brustkorb. Ich fühle mich so ausgeliefert, fast nackt, als würde ich freiwillig als Zielscheibe herhalten. Jedes Mal, wenn jemand vorbeiläuft, spannen sich meine Muskeln an, bis der Betreffende weg ist. Ich warte und warte, meine Gedanken kriechen wie hartschalige Käfer über die Innenseite meines Schädels und bringen mich binnen weniger Minuten von vernünftig bis hin zu schrecklich ängstlich. Ich bin so in Versuchung, über meine
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