Tatort Mosel
Schwingen ihrer Hüften, das Pendeln ihres Oberkörpers. Im Vorraum hielt er die Hand weiter fest. Erst in der Tür zur Kneipe lösten sie ihre Hände voneinander.
»Wein nach Bier, das rat ich dir.« Walde prostete Sonja zu. »Und Bier nach Wein, lass das sein oder das ist fein.«
»Musst du nicht mehr spielen?«, fragte sie.
»Meine Fingerkuppen haben nicht mehr genügend Hornhaut für zwei Stunden Bass am Stück.«
»Lass mal sehen.« Sie nahm seine rechte Hand und untersuchte die Fingerkuppen, indem sie mit ihrer Handfläche darüber strich. »Ganz schön lange Fingernägel hast du.«
»Die Hand ist zum Zupfen, ich greife die Saiten mit der Linken.«
Sie nahm die ihr entgegengestreckte Hand und prüfte mit ihren Fingerspitzen seine Fingerkuppen. Dann führte sie sie an ihre Wange und strich leicht darüber.
Er ließ seine Hand durch ihre Haare nach hinten zu ihrem Hals gleiten. Als er ihren Kopf nach vorn zog, schaltete sich sein Verstand endgültig ab.
Donnerstag, 18. April
Es klingelt an Sonjas Wohnungstür.
Gabi stand auf der Fußmatte und meckerte: »Warum gehst du nicht ans Telefon?«
»Hab nichts gehört, was ist los?«
»Du musst sofort ins Präsidium kommen. Es ist schon wieder einer von der Aktivkreisbande verschwunden.«
»Okay, ich bin gleich da.«
»Ich kann dich mitnehmen.« Gabi schlüpfte in die Diele und musterte Sonja von Kopf bis Fuß. »Scharfes Hemdchen hast du da an.«
»Du brauchst nicht zu warten, ich komme nach«, sagte Sonja.
»Macht nichts, wir fangen sowieso erst an, wenn sich alle bequemt haben, zum Dienst zu erscheinen.« Gabi ließ ihren Daumen über die Tastatur ihres Telefons fliegen. »Wo steckt Walde bloß wieder?« Sie hielt das Telefon ans Ohr und blickte sich in der Diele um.
»Willst du mich nicht rein lassen?«
Sonja senkte ihre Stimme: »Würde ich gern, aber ich habe Besuch.«
»Herzlichen Glückwunsch, entschuldige, ich dachte, du wärst solo.«
»Bin ich auch.«
»Oh, ein One-Night-Stand«, flüsterte Gabi grinsend. »Und, war’s schön?«
Ein leises Telefongeräusch war zu hören.
»Ich glaube, bei dir piept es.« Gabi hielt weiter ihr Handy ans Ohr.
»Gut, dann bis gleich!« Sonja bugsierte Gabi zur Wohnungstür hinaus.
Die Schlafzimmertür ging auf. Walde rannte durch die Diele, riss die Tür zum Wohnzimmer auf und holte ein klingelndes Handy aus der Jacke, die über dem Koffer des Kontrabasses lag.
»Na endlich.« Er erkannte Gabis Stimme. »Du hörst dich gehetzt an.«
»Ich war unter der Dusche. Was gibt’s?«
»Moment, ich muss mir das vorstellen.«
»Was vorstellen?« Walde stieg in seine Hose und zog sie mit einem Arm hoch.
»Was du, beziehungsweise was du nicht trägst.«
»Ich ziehe mich gerade an.«
»Ohne dich vorher abzutrocknen? Wo bist du überhaupt?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Polizistinnen sind nun mal von Natur aus neugierig.«
»Und Polizisten müssen auch mal schweigen können. Jetzt komm bitte zum Punkt!«
»Es gibt wieder einen Vermissten.«
»Oh Gott«, stöhnte Walde. »Wer?«
»An wen denkst du?«
Walde zählte mehr für sich als für Gabi auf: »Haupenberg, Hirschner, Kurz …«
»Bingo!«
*
Nach einer eiligen Lagebesprechung im Präsidium fuhr Walde zusammen mit Meier zum Haus von Kurz.
»Wir hätten ihn vielleicht doch beschatten sollen.« Meier hielt schon die Zigarette in der Hand, um sie gleich nach dem Aussteigen anzünden zu können.
Walde dachte darüber nach, ob eine Beschattung etwas hätte verhindern können. Ein Begleitschutz schien nicht zu genügen. Der oder die Täter konnten ihrem Opfer an zu vielen Orten auflauern.
Das Tor stand offen. Im Hof parkten Zivil- und Streifenwagen kreuz und quer.
Im Haus konzentrierte sich die Spurensuche auf den Eingangsbereich, in dem Frau Kurz erst am Morgen Blutsspritzer auf den Fliesen entdeckt hatte. Bei ihrer Heimkehr hatte sie zwar einen ausgetrockneten Kochtopf mit einem steinharten Klumpen Püree vom Herd nehmen müssen, sich aber nicht allzusehr darüber gewundert. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ihr Mann auf diese Weise das Haus verlassen und es sich anderen Ortes hätte gutgehen lassen.
Bis zehn Uhr bestand noch Hoffnung, Kurz könne im Verlag auftauchen. Zu dieser Stunde nahm die Redaktion ihre Arbeit auf. Dies war auch für Kurz, der meist als einer der ersten im Haus war, der allerletzte Zeitpunkt, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen.
Um elf Uhr traf sich die Sonderkommission im Präsidium zu einer Krisensitzung,
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