Tatort Mosel
die sich am Tag tausende von Malen aufund zuschob, reagierte nicht, als Walde und Gabi davor standen. Er hatte sie gebeten, im Wagen zu bleiben, aber sie bestand darauf, mitzukommen.
Eine weibliche Stimme fragte an der Gegensprechanlage nach ihrem Anliegen.
»Meine …« Walde war wieder einem spontanen Einfall gefolgt und drohte sich nach dem ersten Wort schon zu verheddern. »Mein Besuch«, begann er von neuem, »ist …«, Walde überlegte, »… gebissen worden.«
Zum Glück fragte die Pförtnerin nicht, von wem Gabi gebissen worden war. Walde hätte womöglich ’Krokodil’ zur Antwort gegeben.
»Die Ambulanz ist gleich im Gang rechts. Soll ich Ihnen einen Krankenstuhl bringen lassen?«
»Danke, ich schaffe es noch so.« Gabi hinkte durch die Schleuse. Als sich hinter ihr die Tür schloss, prustete sie los: »Du hast sie wohl nicht mehr alle, dich hat wohl ein Affe gebissen.«
In den orangefarbenen Schalen vor der Ambulanz saßen ein paar Menschen, die vor sich hin schwiegen. Walde und Gabi liefen an ihnen vorbei.
Vor Walde tauchte ein Bild auf. Er eilte mit der hochschwangeren Doris dem Kreißsaal entgegen …
Sie kamen unbehelligt durch die langen Flure bis in die Innere.
Als sie durch die Tür der Abteilung traten, kam ihnen eine Schwester entgegen. Es war die gleiche Frau, die bei Waldes Besuch die Tabletten ausgeteilt hatte.
»Sie wünschen?«, fragte sie ohne eine Spur von Verwunderung über die nächtlichen Besucher.
Walde zeigte seine Marke: »Wir möchten uns davon überzeugen, dass Herr Ströbele anwesend ist.«
»Das kann ich Ihnen bestätigen. Ich war noch vor wenigen Minuten im Zimmer, weil sein Zimmernachbar eine Infusion laufen hatte.«
»Darf ich selbst einen Blick hineinwerfen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Walde entschlossen den Gang entlang und studierte dabei die Nummern auf den Türen. Er hatte vom letzten Besuch die 14 im Gedächtnis behalten.
»Hallo, ich kann Sie nicht so einfach mitten in der Nacht …«, rief die Schwester hinter ihm her. Gabi redete auf sie ein.
Walde war am Zimmer angelangt und öffnete die Tür. Eine schwache Notleuchte brannte. Walde blieb direkt hinter der Tür stehen, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Die Luft war warm und verbraucht. Er hörte, wie jemand, begleitet von einem leisen, mühsamen Pfeifen, atmete. In dem Bett an der Tür konnte er die Umrisse eines Menschen erkennen, der die Decke über den Kopf gezogen hatte. Nur ein Haarbüschel lugte hervor. Ströbele hatte ihm den Rücken zugekehrt. Das schwere Atmen kam vom Patienten im Bett am Fenster.
So warm eingemummelt musste Ströbele ganz schön ins Schwitzen kommen. Walde machte einen Schritt zur Tür zurück, konnte aber nicht anders, als Ströbeles Decke am Fußende etwas zu lüften. Er sah etwas Dunkles und beugte sich darüber. Waren das Socken? Er betastete es vorsichtig. Der Stoff war weich. Er hob die Decke etwas weiter an und zog das Teil heraus. Es war ein Bademantel. Im Zimmer flammte die Neonbeleuchtung auf. Gabi und die Nachtschwester standen in der Tür. Walde deckte das Bett komplett auf. Zum Vorschein kamen in Körperform drapierte Kleidungsstücke und Haare, die mit Tesafilm ans Kopfkissen geklebt waren.
»Sofort alle in höchste Alarmbereitschaft setzen«, wandte sich Walde an Gabi. »Wie lange kann Ströbele schon weg sein?«
Die Frau schaute ihn verwirrt an »Ich hab um neun die Medikamente für die Nacht gebracht. Da war er noch mit dem hier zugange.« Sie wies auf den Laptop auf dem Nachttisch.
Walde klemmte sich das Gerät unter den Arm. Im Laufschritt hastete er mit Gabi über die Flure dem Ausgang zu.
Gabi raste zur Allee. Walde hatte den Laptop gestartet. Er ließ die Augen nicht vom Monitor. Ein Passwort wurde verlangt. Walde zögerte keine Sekunde und gab das Wort ein, das Grabbe für die Diskette aus dem Büro des Aktivkreises herausgefunden hatte: Pollux. Er ersetzte das O durch eine Null und die beiden L durch die Zahl 1. Ein umfangreicher Ordner mit Dutzenden Dokumenten erschien. Fast alle waren nur mit zwei Buchstaben gekennzeichnet.
»Zu Haupenberg, Richtung Paulusplatz«, sagte Walde.
Gabi kürzte mit Vollgas durch die Buspassage ab und umkurvte eine Runde Nachtschwärmer.
»Nenn mir ein paar Namen von Leuten aus dem Aktivkreis«, bat Walde.
»Räumer, Fellrich, Kurz, Haupenberg, Hirschner …«
»Stopp, wie heißt Hirschner mit Vornamen?«
»Walter.«
»Dann müssen wir zu ihm. Er steht hier an vierter Stelle.«
Gabi
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