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Tatort Oktoberfest (German Edition)

Tatort Oktoberfest (German Edition)

Titel: Tatort Oktoberfest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Ludwig
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baumelt. Gequält schreit sie erneut auf, und die Schreie wollen nicht enden, sie kommen endlos ohne ihren Willen aus ihrem Inneren, bis nur noch für ein Wimmern Kraft bleibt. Endlich gelingt es ihr, sich aufzurichten. Wie eine leere, ausgebrannte Hülle, alle Muskelspannung ist verloren gegangen, wackelt sie auf weichen Knien wie betäubt hin und her. Das Zeitgefühl hat sich verabschiedet. Die Beschimpfungen sind Worte, deren Sinn sie nicht mehr aufnimmt. Erst als etwas in der Luft aufblitzt, duckt sie sich so gut es geht. Schmerz durchzuckt ihren Arm. Sie schließt die Augen. Plötzlich hört sie von irgendwo: „Wir haben genug im Kasten.“
    Der Lärm endet. Die eintretende Stille breitet sich fast ebenso unheimlich aus wie vorher die ganzen künstlichen Geräusche. Es dauert eine oder zwei Minuten, bis sie mitbekommt, dass die Wagen aufgehört haben, auf sie zuzurattern. In dem inzwischen angeschalteten Dämmerlicht taucht ihr Double auf, begleitet von zwei Kameramännern, die filmen, wie die Kette um ihre Taille gelöst wird. Ohne den Halt knickt sie zusammen. Der Mann zieht sie mit den Armen hoch, hält sie einen Moment, stellt sie auf die Beine. Sie rafft sich zusammen. Er wendet sich ab und hantiert an der Vorrichtung. Sie wagt einen vorsichtigen Schritt hinunter. Noch dreht sich alles, sie bleibt stehen, wartet. Mit wackligen Knien setzt sie ihren Weg Richtung Ausgang fort, nach und nach gehorchen ihr ihre Füße wieder. Der Gedanke: Alles ist vorüber weckt zusätzliche Reserven.
    Sie beeilt sich, den weiter vorn eilenden Kameramännern zu folgen, hat Angst, hier allein zurückzubleiben, nochmals dem Horror ausgesetzt zu werden. Unachtsam geworden, tritt sie auf ein Kabel, taumelt, stolpert und fällt. Der Boden riecht nach Farbmitteln, ein Holzsplitter bohrt sich in ihre Seite, sie wimmert erneut. In ihrem Arm tobt inzwischen ein höllisches Feuer. Plötzlich steht ihr Double vor ihr, nimmt sie wie eine Puppe hoch und trägt sie hinaus. Sie weint, kann sich gegen die Tränen nicht wehren, drückt den Kopf an die fremde Schulter. „Mein Gott, so schlimm, Claudia? Sind Sie verletzt?“ Sie wird vorsichtig auf eine Bank gesetzt. Sonia beugt sich über sie. „Sie bluten ja am Arm. Hier, nehmen Sie.“ Sie reicht ihr ein sauberes Taschentuch. „Warten Sie, ich hole einen Sanitäter und einen Kaffee oder einen Schnaps?“
    „Bleiben Sie hier, bitte, nur eine Minute ausruhen, dann geht es schon wieder“, stammelt Claudia. Sie hockt zusammengesunken auf der schmalen Bank, die neben der Tür steht, und am liebsten würde sie die Regieassistentin bitten, sie zu umarmen, sie festzuhalten, damit diese Angst weicht, die ihr die Kälte durch die Adern treibt, sie zittern lässt. Aber die Frau verschwindet, sie bleibt allein im Dämmerlicht zurück. Sie schließt die Augen. Als sie jemand am Arm berührt, schreit sie auf. Helles Licht überfällt sie wie ein Ungeheuer, und einen Moment lang meint sie, wieder in der Geisterbahn zu stehen und hebt abwehrend den Arm vor das Gesicht.
    „Keine Angst. Hier, ich habe einen Kaffee mitgebracht und nochmals die Kameraleute. Wir müssen doch alles übertragen. Der Sani kommt auch gleich.“
    Claudia wischt sich die Tränen ab und lächelt tapfer.
    Sie ahnt nicht, dass Ludwig aufstöhnt, als er ihre schreckgeweiteten Augen groß auf der Bildschirmleinwand sieht. Er steht auf dem bald neuen Wiesn-Zeltgelände neben einer Vielzahl von Italienern, denen dieser Umstand ebenso wenig gefällt. Ein Aufstöhnen geht durch die Menge, und die Rufe: „Claudia, Claudia, Claudia, forza Claudia“, werden immer lauter.
    „In kurzer Zeit wissen wir, wie die Menschen draußen am Bildschirm abgestimmt haben, dann ist es amtlich, wer den Wettbewerb gewonnen hat“, verkündet die blonde Fee auf der Leinwand und kurze Zeit später: „Claudia konnte diese Entscheidung nicht für sich verbuchen.“
    „Schiebung, sie haben uns nicht reingelassen und uns keine Karten für die Geisterbahn verkauft. Alles Schwindel“, schreit einer in seiner Nähe und wieder „Schiebung, Schiebung, unsere Claudia ist betrogen worden.“
    Vieles andere versteht Ludwig nicht, weil er Italienisch nicht beherrscht. Aber er merkt, dass sich Unruhe ausbreitet. Plötzlich ist eine Gruppe Jugendlicher auf dem Platz und skandiert: „Bayern, Bayern, Bayern. Ochshammer, Ochshammer.“
    Der Freibierausschank ist bereits geschlossen. Die Stimmung eskaliert. Einige beginnen zu raufen, andere schlagen aufeinander ein. Es

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