Tatort Oktoberfest (German Edition)
als Retter auf, als Ulla und sie von einem Irren verfolgt werden und fast im Feuer umkommen. Heute liegt er in München verletzt vor ihr, und die Rettungsdienstler meinten, einen Penner aufzulesen. Und jetzt bringt er, so hilflos wie ein Baby, auch noch ihren schon wechseljahrbedingten, ruhigen Hormonhaushalt durcheinander. Sie nimmt sich vor, einen kühlen Kopf zu bewahren und beim nächsten Treffen auf Distanz zu gehen.
Als sie später das Krankenhaus verlässt, fällt ihr Ludwig wieder ein. Sie greift zum Handy, drückt den Hörer ans Ohr. Ungeduldig tritt sie von einem Bein auf das andere, bis sich am anderen Ende endlich jemand meldet.
„Nadine, habt ihr Ludwig gefunden? Habt ihr ihn in ein Taxi gesetzt? Was, nein? Das kann doch nicht euer Ernst sein, so groß ist das Gelände doch nicht, oder? Ich bin am Bonner Platz und fahre mit der U-Bahn wieder zum Olympiazentrum. Mein Auto steht in der Parkanlage. Ich komme zum Eingang der BMW-Welt. Wann ist die Veranstaltung denn zu Ende?“
„Wir suchen Ludwig noch mal, Julia. Eigentlich müsste hier um 24 Uhr Schluss sein, mein Handy zeigt jetzt 23.30 Uhr. Wir packen das schon, der Patrick und ich. Tut mir leid.“
Ludwig schlängelt sich vorsichtig durch die einzelnen Grüppchen. Es ist wichtig, dass er Nadine findet. Er muss hier verschwinden, das ist ihm klar. Aber Nadine und Patrick sind nicht zu sehen. Als er vor dem Ausgang steht, beschließt er, allein zu gehen. Nadines Handyanschluss ist ständig besetzt. Ludwig probiert es, bis seinem Handy der Saft ausgeht. „Mist“, flucht er. Soll er mit dem fremden Handy versuchen, Nadine anzurufen? Er spielt einen Moment lang mit dem Gedanken, aber er traut sich nicht, das Teil aus der Hosentasche zu nehmen. Irgendwie hat er eh das Gefühl, dieser fremde Gegenstand brennt ein Loch durch das Taschenfutter. Die Hitze spürt er bis zu seinem Oberschenkel. Er sehnt sich nach seinen normalen Klamotten, dann könnte er jetzt seine Kappe in die Stirn ziehen und das Ding so tief in den Taschen versenken, dass er es vergessen könnte.
Ludwig tritt in die Kühle hinaus. Es muss gerade noch geregnet haben, denn ein paar große Pfützen haben sich gebildet, und in ihnen spiegelt sich das Licht der Straßenlaternen, die den Weg beleuchten. Zwei Jugendliche gehen vor ihm. Er versucht, seinen Schritt zu verlangsamen, entscheidet sich spontan, in die entgegengesetzte Richtung abzuschwenken und wandert über eine Brücke auf den Turm zu. Warum er sich so entscheidet, ist ihm unklar, es ist so ein Gefühl. Das Lokal vor dem Turm ist leer, aber hell beleuchtet. Ludwig betrachtet die Bilder im Schaukasten, dann gleitet sein Blick zur Spitze des Turms. Es würde ihn reizen, dort oben zu stehen. Er fingert sein Geld heraus. Enttäuscht registriert er, dass es für die Auffahrt nicht reicht. Er trottet weiter. Eine breite Straße führt immer geradeaus, es sieht nicht anders aus als in Berlin. Irgendwann wird schon eine U-Bahnstation auftauchen, hofft er. Vielleicht findet er ja auch direkt zum Haderner Stern, wo seine Tante wohnt, da hinten sind so Hochhäuser …
Wenn er die Augen zusammenkneift, weil sich von irgendwo ein Tropfen verirrt, tauchen Luigis starre Augen vor ihm auf. Er stöhnt. Als er an einer Pizzeria vorbeispaziert, tritt er ein. Eigentlich weiß er nicht recht, was er sich davon verspricht. Etwas verloren wartet er an der Theke.
„Tut uns leid, wir haben schon Feierabend und machen gleich zu, junger Mann“, verkündet der Ober, der ihn entdeckt, als er mit einem Tablett voller schmutzigem Geschirr an ihm vorbeischwebt.
„Na gut. Kennt ihr Luigi?“ würgt er raus. Der Ober schenkt ihm einen mitleidigen Blick. „Luigi? Nein, der arbeitet hier nicht. Aber vielleicht ein Stück weiter die Straße entlang, da ist noch eine Pizzeria. Versuche es dort. Ist das ein Freund von dir?“ Ludwig schüttelt den Kopf und verlässt das Lokal.
„Wir machen gleich zu, bei uns gibt es nichts mehr. Und Alkohol schenken wir an Jugendliche nicht aus. Du bist doch höchstens 17“, hört er im nächsten Laden, der nur ein paar Blocks weiter auf der anderen Seite der Straße ebenfalls Pizza anbietet.
„Ich bin schon 19, und ich will keine Dröhnung, ich bin clean“, kann er sich nicht verkneifen zu sagen. Was die sich denken! Als würden alle nur Alkohol wollen. „Arbeitet Luigi hier?“
„Einen Luigi haben wir, aber der hat die Tagesschicht und kommt immer von elf bis acht Uhr. Der liegt jetzt schon mit seiner Claudia in der
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