Tatort Oktoberfest (German Edition)
zu poltern scheint. Er befühlt ihn. Sein Haupt wurde offensichtlich mit einem Verband verziert. Er bewegt seine Gliedmaßen und stellt erleichtert fest, dass alles funktioniert. Keine Schläuche und weiteren Verbände sind auszumachen.
„Ah, unser Gast ist wach. Schön“, hört er den noch sehr jungen Arzt sagen, der jetzt in der Tür erscheint. „Sie haben ganz schön eins über den Schädel bekommen. Ohne Kopfschmerzen werden die nächsten zwei Tage wohl nicht vorübergehen. Eine leichte Gehirnerschütterung. Am besten, Sie ruhen sich heute noch bei uns aus. Morgen können Sie wieder die Stadt unsicher machen. Der Verband wird nachher entfernt und durch ein Pflaster ersetzt. Sicher sind Sie zum Oktoberfest hier und wollen den Einzug der Wiesn-Wirte nicht versäumen. Aber noch etwa eine Woche Vorsicht mit dem Alkohol.“ Der junge Mann lacht und reicht ihm die Hand, um sich zu verabschieden. „Alles Gute. Mein Kollege schaut morgen noch mal kurz rein.“
Di Flavio bleibt in dem Weiß allein zurück. Sein Blick wandert. Ein Sonnenstrahl verirrt sich in den Zweigen der Buche, die direkt vor dem Fenster wächst, und die verfärbten Blätter leuchten wie Herbstastern auf. Er möchte die Augen schließen und schlafen. Heimstetten fällt ihm ein. Er muss ihn anrufen und ihm Bescheid sagen. Als er auf die Taste seines telefoninos drückt, sieht er das Handyverbotsschild an der Krankenzimmertür. Wimmer ist am Apparat. „Di Flavio hier, ich bin, wartet, im Schwabinger Krankenhaus. Zwei Jugendliche brauchten Geld und benutzten mich als Sparschwein. Kein Grund in Panik auszubrechen, morgen kann ich, wenn auch mit Brummschädel, wieder raus.“
„Ich schicke dir Heimstetten vorbei.“ Die Stimme seines Kollegen klingt gestresst. Er ist kurz angebunden. Mit keinem Wort honoriert er di Flavios Scherz.
In der Zwischenzeit könnte er Luigi anrufen, fällt ihm ein, und er wählt, Verbot hin oder her, dessen Nummer. Das Freizeichen ertönt einmal, zweimal, dreimal, viermal, dann wird abgehoben. Er hört ein Atmen, dann wird wieder aufgelegt. Hat er sich verwählt? Unmöglich. Die Nummer ist korrekt abgespeichert. Er versucht es erneut. Am anderen Ende der Leitung ist nur ein stereotypes Tuten zu hören, das nach einer Weile abgelöst wird von: „Der Teilnehmer meldet sich nicht, bitte versuchen Sie es später noch einmal.“
Di Flavio starrt zur Decke des Zimmers, der Sonnenstrahl, der die Zweige zum Leuchten brachte, fällt auf ein unscheinbares Bild an der Wand. Das Aquarell zeigt den Biergarten auf dem Viktualienmarkt: Fröhliche Menschen tummeln sich dort unter rot-weißen Schirmen und sind dermaßen gefühlvoll gezeichnet, dass di Flavio sich auf der Stelle zu ihnen in den Biergarten gesellen möchte. Die Wirklichkeit weht ihm den Krankenhausgeruch scharf in die Nase. Die sterile Umgebung lässt Raum für Depressionen. Seine Kopfschmerzen toben sich aus. Als er versucht, sich am Rand des Bettes aufzusetzen, beginnt das Zimmer sich wie ein Karussell zu drehen. Resigniert legt er sich wieder hin und schließt die Augen.
Nach einer Weile fällt er in einen Dämmerzustand. Die beiden Jugendlichen geistern durch sein Hirn. Er hört die Bemerkung des einen: „Gib ihm noch eins“ und die Antwort: „Der hat genug. Mist, er hat das Handy nicht.“ Da ist das ihm fehlende Puzzleteil. Er ist schlagartig hellwach und überlegt: Sie wollten sein telefonino! Nein, nicht seines, das liegt ja hier auf dem Nachttisch. Ein Handy, ein bestimmtes Handy, von dem sie dachten, er hätte es. Suchten die beiden eine bestimmte Marke, um es zu verkaufen?
Gerade, als di Flavio überlegt, ob er sich nochmals über das Mobiltelefonverbot hinwegsetzen und Heimstetten anrufen soll, geht die Tür auf und sein junger Münchner Kollege spaziert mit einer Schachtel Konfekt in den Händen ins Zimmer. „Hier, meine Freundin sagt, Kranke brauchen Serotonin, das bringt sie wieder in gute Stimmung.“ Dabei lacht er.
Di Flavio schmunzelt und scherzt: „Wein wäre mir als Stimmungsaufheller lieber, aber danke, ich werde es probieren. Setzen Sie sich.“
Heimstetten zieht sich einen Stuhl an das Bett. „Offenbar habe ich die Gefahren meiner Wohngegend für Fremde unterschätzt. Laut Statistik passieren wenige Überfälle dort. Dass Sie der eine sein müssen, war sicher besonderes Pech. Und da habe ich Ihnen unsere unterirdischen Straßen so ans Herz gelegt. Tut mir leid. Schöne Grüße auch von Hauptkommissar Wimmer. Der Chef möchte Sie morgen,
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