Tatort Oktoberfest (German Edition)
angerempelt, und die Leute rufen: „Schau, der Ludwig.“ Manche kaufen ihm auch eine Münchenkappe oder einen Bayernlöwen ab. Läuft doch, denkt er und ist froh, weil er nicht viel reden muss.
Schon von weitem sieht er, dass sich auf dem Platz beim Public Viewing die Leute drängen. Sie schauen auf die große Leinwand und warten auf die Auslosung, denn auch heute gibt es dort während dieser Übertragungszeit Freibier. Bei dem hohen Preis für eine Wiesn-Maß ist das natürlich eine Sache, für die es sich lohnt, sich rechtzeitig anzustellen. Von der Leinwand hört Ludwig die Stimme der Ansagerin: „Claudia, mit dem Ausschank von Bier sind Sie sicher vertraut, schließlich stammen Sie aus einer Wirtsfamilie. Die kleine Bewährungsprobe vor Ihrer richtigen wird Sie nicht in Panik versetzen. Im Hippodrom werden Sie für die nächste Stunde beim Ausschank mithelfen.“
Claudias Gesicht leuchtet ihm groß von der Leinwand entgegen. Eine Welle der Zärtlichkeit überfällt ihn, so dass ihn die Mädchen, die ihn umlagern und wieder diese Löwen haben wollen, stören und er sie recht unwirsch abwimmelt mit den Worten: „Ick kann euch jetzt nischt geben, später.“ Sie lachen und lästern: „Der Ludwig is a Preiß.“ Als sie versuchen, an seinen Uniformknöpfen zu drehen, schüttelt er sie ab und verdrückt sich. Claudia ist ja sowieso im Hippodrom, also muss er dorthin. Er drängelt sich durch die Menschenmassen. Die auffällige Uniform macht die Sache nicht einfach, viele drehen sich nach ihm um oder nerven ihn mit irgendwelchen dummen Bemerkungen. Als er es endlich geschafft hat, bis zur anderen Seite der Festwiese durchzudringen, atmet er erleichtert auf.
Im Hippodrom ist es von Nutzen, dass er als Ludwig verkleidet erscheint. Das Zelt ist proppenvoll, niemand wird mehr eingelassen. Sein Blick streift die Holzrösser oberhalb des Haupteingangs, und sie kommen ihm heute klein vor. Sofort ist Luigi präsent. Als er ihn hier traf, war er noch lebendig. Er versucht, den toten Luigi im Auto, der dauernd durch seine Gedanken spukt, gegen die Erinnerung an den lebendigen Luigi auszutauschen. Ohne sich mit dem Einlass beim Haupteingang aufzuhalten, wählt er sofort den Seitenweg zum Eingang für Prominente. Er wird heute von zwei Bodyguards bewacht. Sie grinsen, als sie ihn sehen, und winken ihn durch. „Magst der Claudia einen Löwen verkaufen?“ scherzt einer von ihnen. Ludwig nickt. Dass er ihr beinahe ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift: „Ich hab dich lieb“ mitgebracht hätte, verrät er den Männern nicht, ebenso behält er die Absicht, Luigis Handy irgendwo im Zelt zu verstecken, für sich. Wie mit Nadine sonst geht er durch die Reihen des Zeltes.
„Da ist ja unser herziger Ludwig“, hört er die süßliche Stimme eines älteren Herrn und erinnert sich. Dieser Schleimtyp war schon auf der Roseninsel hinter ihm her. Leider kann Nadine ihn heute nicht retten. Notgedrungen muss er die Umarmung über sich ergehen lassen und das Küsschen auf die Wangen. „Heute Abend, Kleiner, wie ist es, willst du dir einen Tausender extra verdienen?“ zischelt es in sein Ohr. Er dreht sich so abrupt um, dass die ganzen Souvenirs beinahe aus dem Bauchladen fallen. Als er sich mit hastigen Schritten durch die Reihen zwängt, überlegt er angestrengt, wo er sich verstecken kann, bis Claudia kommt. Der Raum hinter der Schenke fällt ihm ein.
Die Schankkellner sind wie wahnsinnig damit beschäftigt, einen Bierkrug nach dem anderen zu füllen. Es geht wie am Fließband: Krug unter den Hahn, Bier rein, der Krug füllt sich mit Schaum, er wird auf dem Tisch abgesetzt und zur Seite geschoben, ein halbvoller, in dem sich der Schaum gesetzt hat, herangezogen und bis an den Strich – nun ja, nicht ganz – gefüllt. Die Hände der Bedienungen greifen sich den Krug, einen weiteren, noch einen und noch einen, dann mit der anderen Hand ebenso viele, und sie hasten davon; das Ganze beginnt von vorn, die nächste Kellnerin wartet bereits. Alles geht rasend schnell, schon beim Zusehen wird ihm schwindlig, und Ludwig vergisst fast zu atmen. Das schnelle Wechselspiel fasziniert ihn eine Weile, doch er behält sein Ziel immer im Auge: Die Tür, die, wie er weiß, in den hinteren Raum mit den großen Behältern führt. Noch ist kein Vorbeikommen an den Schankkellnern. Während er sich den Kopf zerbricht, kommt ihm der Zufall zu Hilfe.
Der Wirt des Zeltes steuert gestikulierend mit einer Reihe von Leuten auf die Schenke zu, winkt aus
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