Tatort Oktoberfest (German Edition)
mehr damit leben. Sie ist frei, wozu auch immer, sie wird darüber nachdenken, wenn dieser ganze Zirkus vorbei ist, egal ob sie gewinnt oder verliert. Claudia lächelt bei dem Gedanken.
„Sie sehen wundervoll aus, Claudia“, begrüßt sie das Kamerateam. „Wo haben Sie denn das original Holzkirchner Dirndl her? Es sieht fantastisch an Ihnen aus. Viel schöner als diese ganzen Designerdirndl“, meint die Fernsehsprecherin, als sie Claudia zur Begrüßung umarmt.
„Es gehört meiner Mutter“, sagt sie stolz.
„Das müssen wir bringen. Wenn Sie einverstanden sind?“
Am liebsten würde sie sagen: „Nein.“ Aber sie nickt stattdessen. Sie hat sich auf dieses Medienspektakel eingelassen und muss da jetzt durch.
Wieder applaudieren die Menschen, als sie mit der Kamera vorneweg die Wiesn-Straßen entlanggeht. Sie muss wie gestern schon Autogramme geben, und alles wird für das Publikum am Schirm eingefangen. Nach der dritten Unterschrift macht es ihr sogar Spaß, und sie freut sich, dass die Menschen so begeistert sind. „Haben Sie schon Angst vor Ihrer Aufgabe?“ wird sie mehr als einmal gefragt, und sie versichert allen, dass dies nicht der Fall sei, oder doch, ein kleines bisschen.
Als sie die Krinoline erreichen, wird die Menschenansammlung noch größer. Offensichtlich haben viele hier schon auf sie gewartet. Man drückt ihr ein Glas Sekt in die Hand. „Sicher sind Sie schon als Kind mit der Krinoline gefahren?“ fragt man sie.
„Ja, seit ich mich erinnern kann, aber viel lieber mag ich das Kettenkarussell. Man kann die Beine baumeln lassen, sich, wenn die Freundin oder der Freund dabei ist, abstoßen und fliegen. Davon kann ich gar nicht genug bekommen“, schwärmt sie, während sie in der Krinoline Platz nimmt und die Blaskapelle einen Walzer spielt. Die Leute draußen prosten ihr zu, und sie hebt ebenfalls ihr Glas und prostet ihnen zu.
Nach der ersten Runde sieht sie, dass Ochshammer, ebenfalls von einem Kamerateam begleitet, eintrifft. Sie steigt aus und begrüßt ihn, immer werbewirksam lächelnd. Auch er hat ein Lächeln um den Mund, und sie findet ihn inzwischen sympathisch. Claudia raunt Ochshammer zu: „Jetzt freue ich mich schon fast, Sie zu sehen.“
Sein Lächeln wird zu einem jungenhaften Grinsen. „Ich mich auch. Obwohl wir Konkurrenten sind. Aber irgendwie sitzen wir im gleichen Boot.“
„Ich würde sagen, in der Krinoline.“ Sie lachen und schaukeln gemeinsam im Walzertakt auf und ab.
Als Ludwig zu Traudl an den Stand kommt, merkt er, dass etwas nicht stimmt.
„Nadine kann heute nicht kommen, sie ist krank. Die Pizza oder irgendetwas anderes ist ihr auf den Magen geschlagen. Sie hat gerade angerufen. Du wirst sicher nicht allein gehen wollen, oder?“
„Weeß nich“, murmelt er. „Lieber nich, oder?“
„Frag besser Julia, was sie dazu meint, ich habe jetzt hier zu tun“, wiegelt Traudl ab, und tatsächlich stürmen ein paar schon ziemlich vollgetankte Australier den Stand und nehmen alles, was hängt, in die Hand und meinen: „We take them all.“ Traudl, ganz Geschäftsfrau, rechnet schnell zusammen und nennt eine Summe: „Hundred, here you are“ und hängt den Männern die Löwen um, reicht ihnen die unmöglichen Hüte. Sie stülpen sie sich über und sind glücklich.
Ludwig beobachtet das Ganze während er überlegt. Wenn er als Ludwig auftritt, kann er in alle Zelte, und wenn er Claudia findet, kann er sie wenigstens sehen. Also sagt er, nachdem die Australier davongewankt sind: „Ick versuch et, kann ja nich viel passieren, wenn et nich klappt, komm ick wieder. Wat meenste?“
Er sieht, wie Traudl kichert und dann versucht, wieder ernst zu werden. „Gut Ludwig, versuche es. Aber bitte, versprich mir, wenn du Ärger bekommst oder mit dem Geld nicht klarkommst, machst du Schluss.“
„Ick komm schon zurecht mit de Moneten.“ Sie reicht ihm den Rucksack mit den Sachen, und er geht nach hinten, um sich umzuziehen. Ein paar Minuten später steht er als Ludwig II. wieder vor Traudl.
„Ich gebe dir nur ein paar Sachen mit, dann kann nicht so viel schiefgehen“, sagt sie und hängt ihm den vorbereiteten Kasten um. „Toi, toi, toi.“
Er überlegt, gleich zur Krinoline zu marschieren. Die Sonne scheint wie gestern schon den ganzen Morgen, und es ist warm. Ihm wird klar, dass Claudia sicher nicht mehr bei dem Karussell sein wird und beschließt, zur großen Leinwand zu gehen, um festzustellen, wo ihre Show gerade läuft. Immer wieder wird er
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