Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
mutmaßte Alexander.
»Ein Heiratsschwindler?« Franziska machte große Augen.
»Ja, mein Vater hat mal mit so einem zu tun gehabt. Der hatte zehn Frauen gleichzeitig und alle mit gefälschten Papieren geheiratet. Waren alles Frauen, die unheimlich viel Kohle hatten. Der hat sich von denen jedes Mal eine Bankvollmacht geben lassen, hat ruck, zuck die Konten leer geräumt und ist mit dem Geld über alle Berge.«
Franziska schluckte. »Oh Mann, hoffentlich kommt er nicht an ihr Konto ran.«
»Du sagst doch selber, wie leichtgläubig deine Mutter manchmal ist. Und ganz arm seid ihr ja auch nicht, oder?«
Franziska bekam ganz weiche Knie. »Wir müssen unbedingt was unternehmen, Alex, sonst ruiniert er uns alle!«
Zu den Klängen von »White Christmas« glitten sie gemeinsam dem Ausgang entgegen und setzten sich auf eine Bank.
»Können die nicht mal diese ätzende Weihnachtsmusik abstellen!«, meckerte Franziska, während sie mit klammen Fingern ihre Schlittschuhe aufschnürte. »Es ist schon Mitte Februar!«
»Ich glaube, die haben nur diese eine CD «, entgegnete Alexander.
Erst jetzt bemerkten sie den zähen Seenebel, der vom Hafen heraufgekrochen kam und bereits einen Großteil der Karl Johans gate verschluckt hatte. Das mittelalterliche Parlamentsgebäude schimmerte geisterhaft durch die dicke graue Suppe. Die Schreie der unsichtbaren Möwen hatten etwas Unwirkliches.
»Wir müssen etwas unternehmen, Alex!«, wiederholte Franziska flehentlich. »Das sind wir meiner Mutter schuldig.«
»Willst du etwa einen Privatdetektiv engagieren, nur weil Leif ein bisschen unfreundlich zu alten Leuten war?«
»Einen Privatdetektiv brauchen wir nicht, das schaffen wir schon allein.«
»Hast du gerade wir gesagt?«
»Sollte ich das nicht?«
»Kommt drauf an, was du vorhast.«
»Ich will endlich wissen, wo Leif wohnt und was er die ganze Zeit macht, wenn er nicht bei uns rumhängt und sich aushalten lässt.«
»Willst du ihn etwa heimlich verfolgen?« Alexander schüttelte den Kopf. »Wie soll denn das gehen, wenn wir den halben Tag über in der Schule sind und er meistens mit seinem roten Flitzer unterwegs ist?«
Franziska biss sich nachdenklich auf die Lippen. »Manchmal bringt er seinen Laptop mit«, sagte sie nach einer Weile. »Angeblich um die Börsenkurse zu verfolgen und so was. Aber ich glaube, er surft nur im Internet und schreibt irgendwelche E-Mails.«
»Hört sich schon besser an«, entgegnete Alexander. »Dann sollten wir uns die Kiste bei Gelegenheit mal näher ansehen.«
Kapitel 29
Petter zog fröstelnd die Schultern hoch und kuschelte sich noch tiefer in seine verschlissene Lederjacke. Verloren irrte er durch die winterlich graue Stadt. Ohne Richtung und ohne Ziel. Manchmal streckte er die Hand aus und berührte im Vorbeigehen die erleuchteten Schaufenster mit ihren verlockenden Angeboten, die ihm unerreichbar erschienen.
Er sah einem verliebten Pärchen nach, das Hand in Hand über die Fahrbahn eilte und lachend durch die sich bereits schließende Tür einer Straßenbahn schlüpfte. Erblickte hinter der Scheibe einer Kaffeebar eine Horde von Schülern, die heftig gestikulierend hinter ihren dampfenden Bechern saßen.
Er sehnte sich nach ihrer Gemeinschaft, doch das Leben hatte ihn ausgeschlossen. Manchmal gelang es ihm, sich einzureden, dass auch er dazugehörte. Das waren die Momente, in denen er sein anderes, sein zweites Leben führte.
Seit über zwei Monaten hatte er nichts mehr von Morten gehört. Seit jenem Abend, an dem alles schiefgelaufen war, was hatte schieflaufen können. Schon an der Terrassentür hatte Morten die Nerven verloren und sie wider alle Vernunft mit Gewalt aufgebrochen. Und warum nur musste er der alten Frau einen Stoß mit dem Ellbogen versetzen? Das hatte sich Petter immer wieder gefragt, ohne zu einer schlüssigen Antwort zu kommen. Wahrscheinlich eine typische Kurzschlusshandlung. Ein aggressiver Impuls, der den gesunden Menschenverstand außer Kraft gesetzt hatte.
Oder hatte Morten die Frau töten wollen, damit sie der Polizei keine Täterbeschreibung geben konnte? Ihren Tod zumindest in Kauf genommen? In der Zeitung hatten sie es Mord genannt. Petter zitterte vor Wut, wenn er daran dachte, dass Morten später versucht hatte, ihm die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben.
Seitdem herrschte absolute Funkstille zwischen ihnen, worüber Petter sich eigentlich freuen sollte. Doch diese Stille verhieß nichts Gutes. Morten war eine tickende Zeitbombe.
Petter
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