Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick L. Brille
Vom Netzwerk:
Todeskampf an der Angel unnötig lange gedauert hatte. Zu seinen Klienten gehörten kupierte Boxerrüden, lahmende Pferde und Katzen, die für Hobbyschützen als Luftgewehrziele herhalten mussten. Hundertneunzig Fälle landeten allein im Jahr 2008 auf Goetschels Schreibtisch – eigentlich ein Beweis dafür, dass sein Amt auch weiterhin nötig wäre. Leider jedoch wurde das Amt des Tieranwalts im Jahr 2010 wieder abgeschafft. Der Kanton muss sparen.
     
Gefahr: * (Da weder der gereizte und gequälte Schäferhund noch die völlig unartgemäß gehaltene Mamba oder gar das mit Wasserentzug bestrafte Krokodil unmittelbaren Kontakt mit dem Anwalt hatten, verbrachte dieser sehr viel Zeit mit Aktenstudium. Und das ist bekanntlich nicht ganz so riskant.)
Langeweile: ** (Leider ist Aktenstudium in der Regel auch nicht wahnsinnig spannend, doch allein die Fülle der verschiedenen Fälle dürfte dafür gesorgt haben, dass Langeweile beim Tieranwalt selten aufkam.)
Seltenheit: ***** (Goetschel war weltweit der Erste und Einzige, und es wäre schön, wenn es bald Nachahmer geben würde. Bis dahin gibt es in punkto Seltenheit glatte fünf Sterne.)
Ekelfaktor: **** (Man sollte es nicht glauben, welch mannigfaltigen Methoden sadistische Menschen ersinnen, um wehrlose Tiere zu quälen. Da kann einem schon beim Nachlesen das Mittagessen wieder hochkommen.)
Neidfaktor: **** (Ordentlich bezahlt, ein gutes Werk getan und die Klienten nörgeln nie an einem herum. Viele »normale« Rechtsanwälte dürften Dr. Goetschel beneidet haben.)

Haustierpsychologe
     
    W enn der an und für sich angeblich so harmlose Struppi zum x-ten Mal an der hageren Wade des Postzustellers hängt, wenn Bellos Gebell den benachbarten Friedensnobelpreisträger zur Pumpgun greifen lässt, wenn Mieze neuerdings sorgsam zerfledderte Ratten auf dem Bettvorleger drapiert und von Frauchen anschließend durch ultimatives Knacken der Kiefermuskulatur ein Belohnungsleckerli fordert, dann, ja dann ist für viele Haustierhalter guter Rat teuer. Und das dürfen Sie ruhig wörtlich nehmen, denn ausgehend vom Land, in dem die Neurosen bekanntlich am kräftigsten wuchern – formally known as United States of America –, hat sich mittlerweile auch bei uns der Beruf des Haustierpsychologen breitgemacht.
    Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, dafür gibt es keinen eigenen Studiengang. Eine Ausbildung im klassischen Sinne wohl auch nicht – jedenfalls ist uns keine bekannt. Und nicht alle Pferde-, Hunde- oder Vogelspinne-auf-Turkey-Flüsterer sehen aus wie Robert Redford, der diesem Berufsstand durch den gleichnamigen Film einen gewissen Sexappeal verliehen hat. Immerhin können etliche der Tierpsychologen langjährige Beschäftigung mit Vierbeinern dokumentieren, was sie von der unübersehbar großen Zahl von Scharlatanen unterscheidet, die einem Windhund auf den ersten Blick Bulimie unterstellen.
    Der Tierpsychologe Ihres Vertrauens sollte also zumindest eine Ausbildung in Tiermedizin oder Tierheilkunde absolviert haben und Erfahrungen vorweisen können. Misstrauisch dürfen Sie werden, wenn er Ihren schwanzwedelnden Liebling zum Einstieg auf die Couch bittet und sich mit einem Notizblock ans Kopfende setzt. Und auch jene, die sich auf den Boden legen, Hassos Hecheln hinreißend nachahmen können und behaupten, nur durch Imitation dringe man bis an des Pudels Kern und somit ins Innerste der Hundeseele vor, sind mutmaßlich nicht die Richtigen.
    Ein Tierpsychologe, der sich seriös mit seinem Berufsbild auseinandersetzt – und seine Klienten tatsächlich ernst nimmt –, wird nicht mit dem gestörten Wuffi beginnen, sondern zunächst mal mit dessen Halter das Gespräch suchen. Er wird das Verhalten des Tieres ausführlich unter die Lupe nehmen, wird möglicherweise bestimmte Situationen simulieren und die – Achtung, jetzt kommt’s – Interaktion zwischen Besitzer und Tier über einen gewissen Zeitraum beobachten, um dann meistens festzustellen, dass der Halter gestörter ist als der Hund. Das allerdings darf er dem Halter nicht sagen, denn der zahlt schließlich sein nicht unbeträchtliches Honorar, und es ist für Freischaffende nur in den seltensten Fällen lukrativ, dem Finanzier Fehlverhalten vorzuwerfen.
    Die Fragestellung für den Tierpsychologen muss also nicht etwa lauten: »Wie wird der Hund/die Katze/das Meerschweinchen wieder normal und hört auf a) zu kläffen, b) zu kratzen oder c) zu … äh … zu sabbern?« (Sabbern Meerschweinchen? Oder welche

Weitere Kostenlose Bücher