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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick L. Brille
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(Sie spielen Detektiv, sind viel an der frischen Luft und dürfen petzen: Langeweile kann da kein Faktor sein.)
Seltenheit: ** (Lassen Sie es uns so formulieren: Wahrscheinlich werden Sie nicht so schnell jemanden treffen, der als Berufsbezeichnung »Hundebestandsaufnehmer« angibt. Den meisten ist das nämlich eher peinlich …)
Ekelfaktor: * (Wenn Sie Hunde nicht mögen und ständig mit hechelnden Vierbeinern konfrontiert werden, kann dies unangenehm sein – eklig ist es eigentlich nie.)
Neidfaktor: ** (Um den Job des Hundebestandsaufnehmers wird man nur von jenen beneidet, die Denunzieren für eine lustvolle Beschäftigung halten. Das geht aber den Parkraumüberwachern genauso.)

Tieranwalt
     
    V or allem in den Vereinigten Staaten haben Rechtsanwälte gemeinhin einen Ruf, der sich irgendwo zwischen eitrigen Ekzemen und Prostata-Beschwerden einpendelt: Sie kommen vor, sie sind unvermeidlich, sie sind zahlreich … und eigentlich kann sie keiner leiden.
    In Mitteleuropa genießen Anwälte gemeinhin eine deutlich bessere Reputation, was wahrscheinlich daran liegt, dass sie sich – eingeschränkt durch eine fixe Honorarordnung – nicht dazu hergeben müssen, eine Fast-Food-Kette für abgetrennte Fingernägel in der Pommes-Tüte auf eine Schmerzensgeldsumme in Millionenhöhe zu verklagen. Hierzulande ist jeder Mensch vor dem Gesetz gleich, wobei sich wohlhabende Personen naturgemäß mehr und bessere Anwälte leisten können. Das kann dank ausgeklügelter Prozesstaktik in Einzelfällen durchaus dazu führen, dass betuchte Angeklagte für vergleichbare Vergehen deutlich besser wegkommen als ihre weniger begüterten Mitbürger. Im Großen und Ganzen jedoch funktioniert das Rechtssystem hierzulande durchaus.
    Für uns.
    Eine eigentlich sehr beliebte Gruppe von Mitbewohnern jedoch hat hierzulande im Rechtswesen so gut wie keine Lobby: die Haustiere. Zwar ist der Tierschutz mittlerweile gesetzlich fest verankert, doch wenn ein grenzdebiler Wahnsinniger eines Tages beschließt, den Cockerspaniel seiner Schwester an der heimischen Gartenlaube zu kreuzigen, so blüht ihm dafür im schlimmsten Fall eine Geldbuße. Noch immer wird Tierquälerei zumeist als ein Delikt wahrgenommen, das in seiner Wertigkeit knapp unterhalb wiederholten Falschparkens mit dem Bobby-Car liegt. Pferdeschlitzer und Vogelquäler, Katzenmörder und Typen, die ihre Hunde mit brennenden Zigaretten foltern und sich hohnlachend daran ergötzen, dass die gequälte Kreatur schwanzwedelnd und winselnd doch immer wieder zum vermeintlich souveränen Rudelführer zurückkriecht – solche Typen haben vor Gerichten normalerweise nicht allzu viel zu befürchten. Geldbußen, Bewährungsstrafen, zuweilen Freizeitarreste oder »allerletzte« Verwarnungen – mehr passiert eigentlich nie.
    Jahrelang galten Tiere im deutschen Recht als Gegenstände, und juristisch betrachtet ging es deshalb in Prozessen, bei denen Tiere in irgendeiner Form Verhandlungsgegenstand waren, nur um Besitz- oder Wertminderungsfragen. Das ist zwar mittlerweile offiziell anders geworden, doch weder der Gesetzgeber noch praktizierende Juristen können sich dazu durchringen, dem Tierschutz größere Beachtung zu schenken. Tiere haben eben keine wirklich mächtige Lobby.
    In der Schweiz hat man anno 1992 dieses Problem erkannt und angepackt: Der Kanton Zürich schuf das weltweit einzigartige Amt des »Rechtsanwalts für Tierschutz in Strafsachen« (»Tieranwalt«), das zuletzt der honorige Dr. jur. Antoine F. Goetschel bekleidete. Er vertrat souverän und eloquent die Interessen von Vierbeinern und Vögeln, Fischen und Reptilien, lieh Hunden und Schildkröten seine Stimme, argumentierte im Namen von geschundenen Kühen und angeschossenen Katzen. In der ausführlichen Begründung der Kantonsverwaltung, warum man dieses Amt seinerzeit überhaupt geschaffen hatte, stand es 1992 schwarz auf weiß nachzulesen: Man wolle Gerechtigkeit, und die lasse sich für Tiere eben nur dann erreichen, wenn sie sich mit menschlicher Unterstützung gegen ihre Peiniger wehren könnten. Im Visier hatte der Kanton damals vor allem Tierbesitzer, also jene, die sich eigentlich um ihre Schutzbefohlenen kümmern sollten, diese aber stattdessen sträflich vernachlässigten oder gar quälten. Dr. Antoine F. Goetschel gab den Tieren eine Stimme und erhielt dafür einen Stundenlohn von umgerechnet hundertvierzig Euro. Er vertrat Hunde, die in überhitzten Autos zu Tode gekommen waren, ebenso wie Fische, deren

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