Tatsache Evolution
dem wissenschaftlichen Standardwerk von Gradstein et al. (2004), so kann dies zu einer problematischen Verwechslung von Mythen und Fakten führen. Das Buch der |164| deutschen W+W-Diluvianer (Kreationisten) ist professionell gestaltet und enthält Kapitel, in denen gewisse physikalischchemische Fakten sachlich korrekt wiedergegeben sind. Aufschlussreich ist allerdings das »Vorwort zur deutschen Übersetzung «. Dort sind die drei folgenden Kernthesen niedergeschrieben : 1. Die biblische Schöpfungslehre setzt anstelle eines Jahrmilliarden andauernden Evolutionsprozesses das Schöpfungshandeln Gottes und die kurzen Zeiträume der biblischen Urgeschichte (1. Mose 1–11) voraus. 2. Radiometrische Datierungen legen jedoch große Zeiträume nahe. Damit erscheint eine notwendige Voraussetzung für eine Evolution der Organismen gegeben zu sein. 3. Forschungen im Deutungsrahmen der biblischen Schöpfungslehre (in den USA als »scientific creationism « bekannt) streben ein alternatives Verständnis kosmologischer und geologischer Zeitvorstellungen an (Sintflutmodell, Abb. 6.3).
In diesen Sätzen werden christlich-religiöse Mythen (z. B. die weltweite Sintflut), für die es keine objektiven Belege gibt, mit einer seit 1956 etablierten, in diesem Kapitel beschriebenen wissenschaftlichen Methode zur Altersbestimmung auf eine Stufe gestellt. Auf Grundlage eines biblischen Glaubenssatzes werden dann »Forschungen« gefordert, die u. a. unter dem paradoxen Begriff »sintflutgeologische Vorstellungen« verbreitet werden. Die in der Bibel beschriebene Sintflut ist ein
Mythos
, die Geologie jedoch eine
Naturwissenschaft
. Es werden somit religiöse Glaubensinhalte mit wissenschaftlichen Fakten vermengt und damit eine Art »Theo-Biologie (bzw. -Geologie)« geschaffen. Wie ich an anderer Stelle bereits im Detail ausgeführt habe, ist diese Vermengung von Glaube und Wissen als
Pseudowissenschaft
zu kennzeichnen (Kutschera 2004, 2007 a, 2008 a).
Die unterschiedlichen Auffassungen der US-Diluvianer, die sich als »scientific creationists« bezeichnen, und ihrer deutschen W+W-Kollegen werden in dem Buch von Vardiman et al. (2004) wie folgt zusammengefasst. Aus Gründen, die man aus biblischen Texten ableitet, wird von beiden Gruppen ein Erdalter von etwa 10 000 Jahren angenommen; einige Autoren des Sammelbandes glauben an ein Alter von 6000 Jahren. Die Erschaffung |165| der Erde in der Schöpfungswoche (1. Mose 1) soll mit erheblicher geologischer Aktivität verbunden gewesen sein. Bis zum Einsetzen der Sintflut (Abb. 6.3) nehmen die US-Diluvianer eine geologische Ruhephase an, die mit dem Einsetzen der Flut abrupt unterbrochen wurde. Nach der Dogmatik der US-ICR-Kreationisten sollen die seit dem Kambrium weltweit gefundenen Fossilien im Wesentlichen »im Jahr der Sintflut« entstanden sein. Danach wird geologisch wieder mit einer Ruhephase gerechnet. Bei den deutschen W+W-Kreationisten hält man es dagegen für wahrscheinlich, dass »auch vor und noch einige Zeit nach der Sintflut erhebliche geologische Aktivität herrschte. Für die Bildung der phanerozoischen Schichten (Kambrium bis heute) steht demnach nicht nur ein einziges Jahr zur Verfügung, sondern ein Zeitraum von einigen tausend Jahren … Man strebt daher den Aufbau einer ›biblischurgeschichtlichen Geologie‹ an … Die biblische Vorgabe einer jungen Erde ist aber ebenso in dieses Konzept integriert« (Vardiman et al. 2004).
Eine junge, 6000 bis 10 000 Jahre alte Erde wird bei W+W somit
dogmatisch vorausgesetzt
, wobei dann »im Rahmen von Forschungen« die empirischen Fakten aus der Geochronologie so zurechtgebogen werden, dass sie den biblischen Glaubenssatz , von dem man ausgegangen ist, wieder bestätigen (
Zirkelschluss
). Diese pseudowissenschaftliche Denkweise wird seit über 20 Jahren über ein so genanntes »evolutionskritisches Lehrbuch«, in dem u. a. von »erschaffenen Grundtypen« berichtet wird, in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet. Eine ausführliche »Würdigung« dieser »Theo-Biologie« der deutschen W+W-Diluvianer wurde publiziert (Kutschera 2004, 2007 a, 2008 a). Zu welch absurden Schlussfolgerungen und Phantasie-Erzählungen diese oben beschriebene Vermengung von Glaube und Wissen führen kann, soll im nächsten Abschnitt dargelegt werden.
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|166| Das Rate-Resultat 2007: Wie alt ist der blaue Planet?
Das bereits erwähnte, von Henry M. Morris (1918 – 2006) gegründete
US-Institute for Creation Research
(ICR) hat,
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