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Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
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wollen bei der nachfolgenden Reise »zurück in die Vergangenheit« zwei Jahrtausende nach Beginn der modernen Zeitrechnung (Christi Geburt = Jahr null) beginnen.
    Wie Abb. 6.2 A zeigt, ist eine typische mitteleuropäische Kulturlandschaft heute nahezu vollständig vom Menschen dominiert: Von den ursprünglichen Buchenwäldern sind nur noch kleine Relikte übrig geblieben. Eine einzige Spezies, die von Linnaeus im Jahr 1758 als
Homo sapiens
(»der kluge Mensch«) beschrieben wurde, passt die Umwelt in radikaler Weise seinen Bedürfnissen an: Autobahnen und Bahngleise durchkreuzen die Landschaft, so dass für die Tier- und Pflanzenwelt nur noch Inseln übrig bleiben. Großstädte und Industriegebiete, aus denen die Vegetation fast vollständig eliminiert ist, bieten den Menschen
un-
natürliche, aber bequeme Lebensbedingungen. Dieses Zeitalter der vom Menschen geprägten Welt (das
Anthropozän
) ist den meisten »Städtern« so zur Selbstverständlichkeit geworden, dass sie sich ihres Daseins im Beton- und Glaskäfig kaum mehr bewusst sind.
    Reisen wir mit unserer »Zeitmaschine« ein Jahrhundert (d. h. etwa vier Menschen-Generationen) zurück (Abb. 6.2 B), so wird deutlich, dass zumindest ein Problem damals gravierender war als heute. Im Zeitalter der »Dampfmaschinen und |160| der ungefilterten Kohleindustrie« (ca. 1850 bis 1900) sorgten sich die Menschen kaum um die Umwelt, mit dem Resultat, dass die Luft, das Wasser und die Bäume im Umkreis großer Industriezentren damals wesentlich stärker verschmutzt waren als im Jahr 2000. In diesem Zusammenhang sei auf das gut erforschte Birkenspanner-Phänomen hingewiesen (
Industrie-Melanismus
und damit einhergehende rasche Mikroevolution bei Nachtfaltern, s. Kutschera 2008 a).
    Abb. 6.2: Eine virtuelle Zeitreise in die Vergangenheit Mitteleuropas. Die Jahresangaben sind Näherungswerte. Das Jahr 2000 (A) wurde als runder Startpunkt gewählt, die Zeitpunkte (B) und (C) stellen charakteristische Entwicklungsstufen der Menschheit dar. Die Jahreszahl 1200 (D) bezieht sich auf den Dritten Kreuzzug, der zu dieser Zeit Europa erfasste.
    |160| Die in Abb. 6. 2 A, B dargestellte Zeitreise zurück zu den Urvätern der Deszendenztheorie (Darwin, Wallace, Haeckel, Weismann), etwa vier bis sechs Menschen-Generationen umfassend, können wir uns gerade noch anschaulich vorstellen (z. B. über Kindheitserinnerungen an unsere lange verstorbene Urgroßmutter). Bei der Betrachtung einer typischen Kulturlandschaft im Mittelalter (Jahr 1600, Abb. 6.2 C) versagt dann allerdings unser Abstraktionsvermögen. Vor nur etwa 16 Menschen-Generationen waren unsere in kleinen Dörfern wohnenden Vorfahren noch an eine weitgehend intakte Umwelt angepasst. Es gab damals z. B. noch Wölfe, Bären und andere heute vom »zivilisierten Menschen« in Mitteleuropa weitgehend ausgerottete Säugetiere, mit denen sich unsere Vorfahren auseinandersetzen mussten (Konkurrenz um begrenzte Nahrungs-Ressourcen usw.). Die in Abb. 6.2 D dargestellte Naturlandschaft aus dem Jahr 1200, in der noch relativ kleine, Ackerbau und Jagd betreibende Menschenpopulationen lebten, verliert sich für uns »in der grauen Vergangenheit«. So sind für uns z. B. der Dritte Kreuzzug (1189 – 1192) oder Personen wie Richard Löwenherz (1157 – 1199) abstrakte Begriffe. Es fällt uns daher heute schwer, in diese natürliche Umwelt europäischer »Eingeborener « zurückzukehren, da wir uns buchstäblich »meilenweit« von diesem relativ ursprünglichen Zustand entfernt haben. So gibt es z. B. im heutigen Mitteleuropa (Deutschland) praktisch keinen
Wald
mehr, sondern nur noch vom Menschen angepflanzten
Forst
. Der berühmte Schwarzwald, an dessen Rand ich aufgewachsen bin (Freiburg i. Br.), ist in Wirklichkeit weitgehend eine Fichten- und Douglasien-Monokultur (Forst), aber die Menschen sprechen auch in Süddeutschland noch immer vom »deutschen Wald«, dem »Wald-Sterben« usw.
    |161| Es ist in Anbetracht dieser nur 800 Jahre (ca. 32 Menschen-Generationen ) umfassenden »Zeitreise« nicht verwunderlich, dass selbst gebildete und aufgeklärte Menschen bis zum Erscheinen von Darwins Hauptwerk (1859) mit einem aus Texten der Bibel abgeleiteten Erdalter von 6000 bis 10 000 Jahren einverstanden waren. Da diese von den christlichen Kirchen damals dogmatisch verbreiteten Thesen einer relativ jungen, von einem übernatürlichen Geistwesen (biblischer Gott) in wenigen Tagen erschaffenen Erde »einleuchtend« war, hatten die geistlichen

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