Tatsächlich Liebe in Notting Hill: Roman (German Edition)
Dad Sean heute Abend erst kennengelernt und konnte daher kaum wissen, wie er wirklich war. Es gab jedoch viele Dinge, die mich ärgerten. Bedeutete Sean die Arbeit wirklich so viel, dass sie ihm heute Abend wichtiger gewesen war als ich? Und selbst wenn diese Geschäftssache ein Bluff gewesen war, um insgeheim nach Mum sehen zu können – hatte Dad dann recht? Benutzte Sean meine Eltern, um an mich heranzukommen? Nein, das konnte nicht sein, das war nicht Seans Art. Aber warum hatte er mir dann nicht erzählt, dass er zu Mum gegangen war? Das alles schien keinen Sinn zu ergeben.
»Verrätst du mir mehr als ›zum Teil‹?«, fragte Sean und neigte den Kopf zur Seite. »Wie wäre es mit zwei Dritteln? Oder wenn ich dich nett bitte, vielleicht sogar mit drei Vierteln?«
Ich lächelte ihn schwach an. »Tut mir leid. Ich habe gerade darüber nachgedacht, welchen Mist ich heute Abend wieder einmal gebaut habe. Ich muss mich glücklich schätzen, dass die Sache nicht noch viel schlimmer ausgegangen ist. Wie es scheint, habe ich wirklich sehr verständnisvolle Eltern und ebenso verständnisvolle Freunde.«
»Das stimmt.« Sean nickte und nahm einen Schluck Whiskey. »Was hat dein Vater denn jetzt gesagt?«
»Worüber?« Versuchte Sean etwa gerade, Dads Meinung über ihn herauszufinden?
»Über alles. Über deine Mum, über deine Jagd nach Kinoszenen, über alles, was du tust und was ihn ärgert.«
»Ich habe die Kinosache aufgegeben.«
»Warum?«
»Weil es keinen Sinn mehr hat, meine Theorie zu beweisen. Ich habe Dad eben erklärt, wie viele Beweise ich hier gesammelt habe und dass das Leben sehr wohl wie ein Kinofilm sein kann, aber er glaubt mir immer noch nicht. Welchen Sinn hat das Ganze dann noch? Vielleicht hatte ich immer schon unrecht. Vielleicht beruhte alles tatsächlich nur auf schnöden Zufällen?«
Sean starrte mich verwundert an. »Ich kann gar nicht fassen, was du da sagst.«
»Warum? Ich habe ja wohl das Recht, meine Meinung zu ändern, oder?«
Sean zog die Augenbrauen hoch.
Ich seufzte. »Nach allem, was in den letzten Wochen und insbesondere heute Abend passiert ist, fange ich langsam an zu glauben, dass Dad, David und alle anderen recht hatten, Sean. Das Leben ist kein Kinofilm. Man kann sich anstrengen, wie man will, um das Gegenteil zu beweisen, doch das perfekte Happy End, das man aus dem Kino kennt, gibt es einfach nicht und wird es auch niemals geben.«
Ich nippte an meinem Whiskey, während Sean mich weiterhin ungläubig anstarrte.
»Scarlett, hör auf damit!«, rief er schließlich. »Das bist doch nicht du, die da redet! Was ist mit dir passiert? Du warst so hoffnungsvoll und optimistisch, als ich dich kennenlernte, und jetzt bist du so … so …«
»Realistisch«, ergänzte ich tonlos. »Das ist das Wort, das du suchst. Wenn diese Erfahrungen mich irgendetwas gelehrt haben, dann ist es die Realität, Sean. Ich hatte gedacht, meiner Familie mit meinem Aufenthalt in London beweisen zu können, wie falsch sie mit ihrer Meinung über Kinofilme lag. Stattdessen habe ich herausgefunden, dass ich in Wirklichkeit etwas gesucht habe, was mir in all den Jahren gefehlt hat – meine Mutter. Sean, ich bin fest davon überzeugt, dass alles, was passiert …«
»Ich weiß schon, aus einem bestimmten Grund geschieht. Das hast du mir schon einmal gesagt – mehrmals sogar. Aber deine Mutter zu finden, könnte auch einfach nur ein zusätzlicher Bonus sein. Warum muss es unbedingt der einzige Grund sein für alles, was passiert ist?«
»Es ist ja gar nicht der einzige Grund – es ist aber der Hauptgrund. Die letzten paar Wochen haben mir zudem gezeigt, dass ich mit meinem Leben in Stratford viel glücklicher bin, als mir vorher klar war. Meine Mutter zu treffen, von dem Leben zu erfahren, das sie geführt hat, von den Männern zu hören, die sie nach meinem Vater hatte – all das hat mir gezeigt, dass das Gras auf der anderen Seite nicht immer grüner ist. Vielleicht mag es eine gewisse Zeit lang so aussehen, doch wenn das Gras verdorrt und abstirbt und dann nichts mehr bleibt, muss man wieder ganz von vorn anfangen – die Grassamen säen und abwarten, bis alles wieder wächst.«
»Und was willst du mir damit sagen, Scarlett?«, fragte Sean und setzte sein Whiskeyglas auf dem Tisch ab. »Du ziehst also ein Leben voll grauen Betons vor – solide und im wahrsten Sinne des Wortes unkaputtbar –, damit bloß nichts passiert, was eventuell einen Schaden verursachen könnte?«
Ich
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