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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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und Schnappmesser zu kommen. Man kann dort sogar Havannas kaufen. Man kann sich Stierkämpfe, Hundekämpfe und Hahnenkämpfe ansehen, wenn man auf so etwas steht. Was Spaß macht und in den USA verboten ist, wird einem in Mexiko bereitwillig in halb legaler und nicht ganz ungefährlicher Form angeboten. Wenn das Auge des Gesetzes wegschaut, ist es dann wirklich illegal?
    Tagsüber ist Mexicali eine relativ normale Stadt. Man kann dort gut einkaufen, was essen und sich die Sehenswürdigkeiten ansehen. Es kann Ärger geben, aber man kann ihm aus dem Weg gehen. Nachts ist es eine ganz andere Geschichte. Die meisten nächtlichen Aktivitäten können Ärger in irgendeiner Form bedeuten. In der Highschool nannten wir Zwanzig-Dollar-Scheine »Du kommst aus dem Gefängnis frei«-Karten.
    Ich konnte mich noch lebhaft an meinen letzten Ausflug nach Mexicali erinnern. Nie war ich so knapp dem mexikanischen Knast
entronnen – und das hatte seinen Grund. Ich saß in Handschellen hinten im Polizeiwagen. Selbstverständlich hatte ich nichts verbrochen. Ich war nach Mexicali gefahren, um einen Smoking für den Abschlussball auszuleihen. Mein »Vergehen« bestand darin, dass ich ein nicht existierendes Stoppschild überfahren hatte. Das wahre Verbrechen war, dass ich kein Geld bei mir hatte.
    Ich mache den mexikanischen Cops keine Vorwürfe. Sie werden schlecht bezahlt und ihre Arbeit wird nicht entsprechend gewürdigt, deshalb haben sie die Wirtschaft um das Mordida -System bereichert. Mordida bedeutet so viel wie »kleiner Biss«, und mehr ist es meistens auch nicht. Ich hatte nur den Fehler begangen, wütend zu werden. Betrunken hätte ich mich gefügt, aber nüchtern war ich selbstgerecht. Da ich mich weigerte zu zahlen, hatten sie mich beim Schlafittchen.
    Als mir klar wurde, dass meine unerschütterliche Protesthaltung nur zu Stress und noch mehr Stress führen würde, gab ich nach. Alles in allem bin ich glimpflich davongekommen. Sie nahmen meine Maglite-Taschenlampe, einen alten Playboy (die Mensa-Ausgabe), mein Leatherman-Multitool und eine CD von Billy Joel, die irgendein Mädchen in meinem Wagen vergessen hatte. Nur über das Multitool war ich wirklich sauer, denn Pop hatte es mir geschenkt.
    Damals konnte man in Mexicali seinen Spaß haben, obwohl es nicht ungefährlich war und einem Angst machen konnte, aber es war eben auch freundlich. Jetzt war es nur noch zum Fürchten. Ich sagte mir, es sei schließlich eine Stadt wie jede andere und die meisten Einwohner seien ganz normale Leute. Aber es half nichts. Ich war froh, dass Bobby dabei war.
    Bobby und ich liefen die Stufen zum Tunnel hinunter, der über die Grenze führte. Die Hälfte der Leuchtstoffröhren war kaputt und überall sah man huschende Schatten. In diesem unterirdischen Niemandsland gab es auch ein paar Geschäfte, aber nur der Zeitungskiosk war geöffnet. Am Ende des langen Tunnels befand sich ein Drehkreuz, genau wie die am Ausgang von Freizeitparks. Hat man einmal die Grenze von den USA nach Mexiko überschritten,
kann man nicht mehr auf demselben Weg zurück. Es ist, als ließe man den Spaß im Vergnügungspark zurück, um sich in der rauen Wirklichkeit des Parkplatzes wiederzufinden.
     
    Der dicke mexikanische Grenzbeamte sah nur kurz von seinem Tittenheft auf. Ein kleiner Ventilator an der Wand ließ die Haare seines Schnauzbarts auf der Oberlippe tanzen. Sein Gesicht und die Fettwülste, die aus seinem zu engen Kragen quollen, waren schweißüberströmt. Er fragte nicht nach Papieren. Er fragte nicht, woher wir waren. Er sagte kein einziges Wort. Nicht ein Wort. Das musste man diesem Land lassen, es lebte nicht in Angst vor den Menschen, die seine Grenzen passieren. Vielleicht hatte es nichts zu verlieren.
    Wir gingen durch das Drehkreuz und befanden uns in Mexiko.
    Der Gang über die Grenze kann einen Kulturschock auslösen, wenn die eigenen Erfahrungen mit Mexiko sich bis dahin darauf beschränkten, in Cancún oder Puerto Vallarta aus dem Flieger zu steigen. Für die meisten Touristen ist die einzige Sorge, ob sie von dem Taxifahrer auf dem Weg zu ihrem All-inclusive-Resort übers Ohr gehauen werden. Wenn man zu Fuß nach Mexicali läuft, erwarten einen keine Willkommensschilder. Kein bienvenido . Kein Fremdenverkehrsamt. Nur eine bröckelnde Betontreppe, die aus dem Tunnel hinaus auf die lebhafte Avenida Francisco Madero führt.
    Die Luft schien anders zu sein, dicker und staubiger mit einem Hauch von verbranntem Fleisch. Vielleicht war es ja

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