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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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verlaufen, der Pachtvertrag unter Dach und Fach.
    Vielleicht sollte sie mal bei Axel anrufen und fragen, ob mit Emil alles in Ordnung war? Quatsch, sie war gerade mal einen halben Tag von ihrem Sohn getrennt, sollte sie jetzt schon zur Glucke mutieren? Später, so gegen acht Uhr vielleicht   …
    Direkt vor ihr flogen ein paar Seevögel auf, die durch irgendetwas hochgeschreckt worden waren und es nun anscheinend auf ihr Eis abgesehen hatten. Himbeersorbet tropfte auf ihre Jeans, sie wischte den klebrigen Fleck notdürftig weg, da triefte es schon wieder. Die Sonne machte sich einen Spaß daraus, den Inhalt des Waffelhörnchens zerlaufen zu lassen, und die aufgeregten Viecher kriegten sich gar nicht mehr ein. Als Wenke ihren Rucksack hervorholen wollte, in dem sich hoffentlich ein paar Taschentücher befanden, stutzte sie.
    Der Papagei war weg. Zumindest saß er nicht mehr ultralässig mit halber Pobacke auf dem Brückengeländer. War seine Schicht zu Ende? Hatte sie ab sofort einen neuen Schatten? Oder waren die
Devil Doves
zu dem Entschluss gekommen, dass Christine Frey sehr harmlos, vielleicht sogar stinklangweilig war? Wencke schaute sich um.
    Weiter hinten, wo die Straße erst direkt auf das Schloss zuführte und dann eine scharfe Kurve nach links machte, |114| standen drei herrenlose Motorräder. Wencke kannte sich mit den Maschinen nicht aus, doch die tiefen Sitze und die hohen, fast lächerlich breiten Lenker ließen sie vermuten, dass es irgendwelche besonderen Fahrgestelle waren, hießen die nicht Chopper*?
Harley Davidson
vielleicht, auf jeden Fall Rockermaschinen. Waren ihre neuen Pächter jetzt auf eine dermaßen auffällige Observation umgestiegen, dass sie gleich einen Konvoi losschickten? Oder   …
    Sie stand auf. Die Steinbrücke, die den Schlossgraben überquerte, war überfüllt mit fotografierenden Reisegruppen. Doch seltsamerweise schienen weder das Schloss noch der Schweriner See ihre Aufmerksamkeit zu erregen, sondern etwas, das auf dem Bürgersteig lag. Einige nackte Oberarme und Unterschenkel, bunte Tops, Shorts und Miniröcke standen versammelt im Kreis. Und endlich entdeckte Wencke auch die zerschlissene Jeans. Der Papagei lag am Boden und war von Schaulustigen umringt. Je näher sie mit schnellen Schritten kam, desto deutlicher konnte sie die aufgeregten Stimmen der Menschen hören, von denen sich zwei inzwischen hingekniet hatten, um dem am Boden liegenden Hilfe zukommen zu lassen.
    »Die haben dem einfach den Kopf eingeschlagen, auf offener Straße!«, rief ein Teenager seinen weiter entfernt gaffenden Freunden zu und schaltete gleich das Handy an, um internetfähige Bilder von diesem Wahnsinnsabenteuer zu schießen.
    »Da sind diese Verbrecher«, brüllte ein alter Mann und zeigte mit seinem Stock Richtung Brücke, wo drei mit Helmen maskierte Männer in aller Seelenruhe auf ihre Motorräder stiegen. »Die Rocker waren das! Die haben den totgeschlagen!«
    »Das ist der Bandenkrieg, von dem sie im Radio erzählt haben«, spielte sich eine Frau mit Sonnenhut auf. »Gewarnt hat der Moderator: Gewalt und nochmals Gewalt!«
    Der Jugendliche rannte los, das Handy in der Hand, er hielt |115| die Kamera genau auf die vermeintlichen Täter und rief: »Ich hab sie drauf! Ich hab den Beweis!« Verdammt, Junge, wollte Wencke schreien, das hier ist weder ein Detektivabenteuer noch ein Computerspiel. Das hier ist echt!
    So schnell, wie der Letzte der drei Maskierten zurückgerannt kam, dem Halbwüchsigen das Aufnahmegerät aus der Hand gerissen und über das Brückengeländer in den Wassergraben geworfen hatte, konnte keiner schauen, geschweige denn handeln.
    Der Junge heulte, als habe der Angreifer ihm den ganzen Arm abgerissen, wahrscheinlich konnte er heilfroh sein, dass es nicht tatsächlich so war. Seine Kumpels eilten ihm zur Hilfe, sobald der Rocker sich wortlos, aber mit Mittelfingergeste abgewandt hatte. Auf der Rückseite seiner Kutte war groß der Schädel mit dem Fadenkreuz in der Augenhöhle zu erkennen. Unverkennbar das Abzeichen der
G-Point -Gangster
. Kein Mensch traute sich, einen Schritt in diese Richtung zu tun. Das war mit Sicherheit auch besser so.
    Klar, Wencke hätte jetzt gern einen LK A-Ausweis gezückt und die Sache in die Hand genommen. Doch das war nicht möglich, schließlich war sie Christine Frey, und die hatte keine solchen Dienstausweise, sondern war eine von vielen, die zufällig gerade hier vor dem Schloss rumlungerten und halbwegs mitbekommen hatten, dass ein

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