Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
Vom Netzwerk:
eine klare Ansage, dass ich sowohl mit meinem
Hintern als auch mit meinem Hirn gefälligst in Deutschland zu bleiben habe und diesen
Christoph endlich vergessen soll, dann ist Lilly die Richtige. Will ich ein Ticket
buchen und meine Klamotten packen, wäre ein Treffen mit Nina angeraten. Hannah traue
ich in dieser Situation die gesündeste Reaktion zu. Sie wird weder vom Bleiben noch
vom Fliegen erzählen.
    Zehn Minuten nach meinen Anruf stehe
ich vor ihrer Tür. Sie trägt Stiefel, hat einen Poncho übergeworfen und eine Mütze
aufgesetzt, was bedeutet, dass wir spazieren gehen.
    Von Hannah ist es nicht weit bis
zum Schwanenteich, der von einem Park umgeben ist. Als Lukas und ich mit den Bikes
hier entlanggefahren sind, trugen die Bäume noch Blätter. Nun raschelt das Laub
unter unseren Schritten. Kinder schieben die Blätter zu Haufen zusammen und springen
hinein. Andere sammeln Kastanien, um nachher Männchen zu basteln oder das Rotwild
in den Gehegen am Stadtrand zu füttern.
    Männer führen
ihre Hunde Gassi. Genau genommen ist dies so ein richtiger Gassi-geh-Park. Schäferhunde,
Dalmatiner, Dackel, Terrier. Sie kläffen sich erst mal an, wobei die kleinen Tiere
grundsätzlich anfangen und definitiv auf Stänkern aus sind. Nachdem sie von ihren
Menschen an der Leine zur Ordnung gerufen wurden, stecken sie die Nase zurück in
die Blätter und schnuppern nach was auch immer.
    Ich erzähle Hannah, was seit unserem
letzten Treffen geschehen ist. Sie hört mir zu, versteht mich. Sie versteht allerdings
auch, dass Lukas nicht mehr lachen wird, wenn er zurückkehrt. Alles ist plötzlich
verdammt ernst geworden, und ich hasse es. Mein Leben liegt als Trümmerhaufen vor
mir. Ich knie davor und versuche, es wieder zusammenzustecken, scheine nur nicht
zu wissen, welches Teil zu welchem passt. Es ist furchtbar. Mir ist speiübel, weshalb
ich nichts mehr esse. Ich bekomme keinen Bissen hinunter.
    Ich frage Hannah, ob sie mich vielleicht
tief im Stillen für komplett durchgeknallt hält und mir das aus Taktgefühl nicht
sagt, ob das nicht alles total weit hergeholt ist, ob ich mir nicht etwas vormache
und in Christoph einen anderen Mann sehe, als er tatsächlich ist.
    Ich habe ein paar von Christophs
Nachrichten mitgebracht, die Hannah jetzt liest. Sie mag die Art, wie er sich ausdrückt,
und kennt keinen Mann, der so schreibt. Sie gibt zu, zuerst vermutet zu haben, dass
er ein Aufschneider ist, der sich einen Spaß macht. Das denkt sie nun nicht mehr.
Für verrückt hält sie mich auch nicht.
    Nachdem Hannah eine Weile grüblerisch
schweigend hat verstreichen lassen, stellt sie eine Frage: »Ich sage dir zwei Sätze.
Der eine lautet: Du bleibst in Deutschland bei Lukas. Der andere: Du fliegst nach
Teneriffa zu Christoph. Welcher Satz ist dir angenehmer?«
    Ach du meine Güte! Welcher Satz
ist mir angenehmer?
    »Du überlegst zu lange. Du musst
es gleich sagen. Jetzt will ich es hören. Ich will keine vorsichtig formulierte,
gut überdachte Antwort. Ich will wissen, was du willst!«
    »Fliegen!«, entgegne ich prompt
und erschrecke über mich selbst.
    »Aha. Dann tu es. Dann flieg!«
    »Ich kann nicht. Ich liebe Lukas.«
    »Aber dein erster Gedanke war doch,
dass du fliegst.«
    »Ich will Lukas nicht verlieren.«
    »Meine liebe Lena, ich fürchte,
du wirst um eine Entscheidung nicht herumkommen.«
    Nach noch mehr Schweigen fährt sie
fort: »Was meinst du, wie Lukas reagieren wird, wenn er heimkommt? Wirst du es ihm
überhaupt sagen?«
    »Wie könnte ich es ihm verschweigen?
Schau mich nur an! Ich kann nichts verheimlichen, ihm schon gar nicht, und erst
recht nicht das, was in mir vorgeht.«
    Hannah fällt ein Gedicht von Thomas
Brasch ein. Sie rezitiert es, während wir eine Allee entlangschlendern und das letzte
Laub von den Bäumen rieselt.
    »Was ich habe, will ich nicht verlieren,
aber
    wo ich bin, da will ich nicht bleiben,
aber
    die ich liebe, will ich nicht verlassen,
aber
    die ich kenne, will ich nicht mehr
sehen, aber
    wo ich sterbe, da will ich nicht
hin:
    Bleiben will ich, wo ich nie gewesen
bin.«
     
    Am nächsten Tag ruft Nina an. Es ist Donnerstag. Im ›Tiggers‹ steigt
an Donnerstagen immer eine Party. Dahin soll ich sie begleiten. Ob sie nicht weiß,
dass es eine Singleparty ist?
    Nina weiß es, meint aber, sie wolle
nicht hin, um von Männern angebaggert zu werden, sondern des Spaßfaktors wegen.
Ich will darüber nachdenken.
    Das ›Tiggers‹
ist ein Club mit einem grundsätzlich guten Konzept. An das

Weitere Kostenlose Bücher