Tausche Brautschuh gegen Flossen
mittelalterliche Flair
Mühlhausens angepasst, wurde es vor einigen Jahren in der ersten Etage eines Fachwerkhauses
in der Innenstadt eröffnet und mit viel Ideenreichtum und Geschmack eingerichtet.
Den Mittelpunkt bilden die rustikale halbrunde Bar und der von leerem Fachwerk umrandete
Tanzbereich. Drum herum finden sich offene Sitznischen, zwei DJ-Pulte und weitere
erhöhte Flächen, auf denen man abrocken kann. Es gibt Cocktails und Snacks und Musik
aus drei Jahrzehnten. Trotz all dem hatte ich im ›Tiggers‹ noch keinen einzigen
guten Abend. Ich habe überhaupt keine Lust hinzugehen, schon gar nicht, wenn Singleparty
ist. Also rufe ich Nina an, um ihr abzusagen, doch sie bettelt und bettelt, bis
ich mich geschlagen gebe. Zwar verstehe ich ihren Drang nach derartigen Events nicht,
aber vielleicht sollte ich das gar nicht versuchen, sondern mich darauf freuen,
unter Menschen zu kommen. Unter viele verrückte Menschen, aber egal.
Der Abend ist eine mittelmäßige Katastrophe. Es sind viele Leute da
und bald ist Nina verschwunden, was prinzipiell keine Überraschung ist. Irgendwann
verschwindet sie immer. Meistens auf die Toilette, wo sie in Gesprächen versackt.
Eine Weile sitze ich an der Bar und lausche der Trennungsgeschichte meines Nachbarn,
der schnell Andeutungen macht, dass er nichts dagegen hätte, wenn ich ihn über die
Trennung hinwegtrösten würde. Da ich mir nicht anders zu helfen weiß, gehe ich zur
Haupttanzfläche. Von dort aus entdecke ich Nina. Sie hat die Bar erklommen und vollzieht
einen Schleierschwanzfisch-Bauchtanz mit einem Unbekannten. Wahrscheinlich war sie
wieder mal auf dem Männerklo. Als ich auf meinem Hintern ein paar Hände registriere,
die dort weder hingehören noch erwünscht sind, tanze ich zum anderen Ende der Bar
und bestelle noch ein Glas Weißwein, in der Hoffnung, dass der Einfluss von Alkohol
mich alles mit Humor sehen lässt. Ich habe gerade einmal genippt, da gesellt sich
abermals jemand an meine Seite, um mich mit einer ganz alten Anmache in ein Gespräch
zu verwickeln, welches so oberflächlich zu werden verspricht, dass ich richtig üble
Laune bekomme. Ganz eindeutig habe ich zu wenig Alkohol getrunken, überlege ich
und nehme einen zweiten, größeren Schluck, bevor ich den Mann zum Teufel schicke.
Er trollt sich, beobachtet mich noch eine Weile, doch findet bald ein neues Opfer.
Schon will ich aufatmen, da postiert sich eine dralle Blondine vor mir und kippt
mir ihren Martini ins Gesicht. Ich soll ihren Freund in Ruhe lassen, keift sie und
nennt mich eine Schlampe. Mit dem Ärmel tupfe ich mein Gesicht trocken und blicke
ihr nach. Ihren runden Hintern schwingend stelzt sie zu einem Mann, den ich noch
nie zuvor gesehen habe.
Nun langt es mir endgültig! Ich
will nichts mehr trinken, ich will nicht mehr tanzen, ich will nur noch hier raus!
Und zwar sofort! Bebend vor Zorn drehe ich mich um 90 Grad, um Nina, die noch auf
dem Tresen abfeiert, einen tödlichen Lass-uns-abhauen-Blick zu schicken. Sie sieht
mich nicht, also wühle ich mich durch die Massen zu der Stelle, an der sie tanzt.
Kaum bin ich dort angelangt, greift mich eine Person am Kragen, von der ich im ersten
Moment nicht sagen kann, ob sie Mann oder Frau ist. Sie entfernt mich wieder von
meinem Ziel, indem sie mich in eine leere Sitznische schleift, auf einen Stuhl drückt
und küsst. Mit den Nerven am Ende stoße ich sie von mir, wische mir angewidert über
den Mund und boxe mich, keine Rücksicht auf sensible Körperteile nehmend, erneut
zu Nina durch. Jetzt sieht sie mich sofort.
»Komm da runter!«, brülle ich.
Ein wenig überrascht leistet sie
meinem Befehl Folge. »Was ist denn los? Ist irgendwas passiert?«, erkundigt sie
sich, sobald sie vor mir steht. Dann drückt sie mir einen Schmatzer auf die Wange
und umarmt mich, wobei sie mein nasses Oberteil bemerkt. »Neues Parfüm? Eau de Martini?«
Sie kichert. „Ich find’s heute echt super hier.«
Ihrem Ton entnehme ich, dass sie
betrunken ist.
»Und ich find’s scheiße«, entgegne
ich patzig. Zwar will ich gar nicht so gruselig klingen, kann aber nicht anders.
Mir reicht es echt. »Können wir bitte los. Dieser Laden ist sowas von zum Kotzen.«
Der Typ, mit dem sie getanzt hat,
springt von der Theke und legt einen Arm um Ninas Hüfte.
»Ihr wollt los?«, fragt er. »Kann
ich mitkommen?«
»Diese Frau ist in festen Händen«,
kläre ich ihn auf »Aber ich denke, du hast hier eine gute Auswahl an passenden Kandidatinnen
für die Nacht.«
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