Tausche Brautschuh gegen Flossen
und
will nicht darüber nachdenken.
»Sicher geht es dir gerade ganz
ähnlich«, meint er. »Ohnehin war deine Ausgangssituation ideal. Du warst eben allein,
ohne jemanden zum Reden, und hast dich über deinen Job geärgert, in dem es nichts
zu tun gab, obwohl du so dringend Ablenkung brauchtest. Das Highlight des Jahres
war vorüber und es gab keine echten Schwierigkeiten zu meistern – mit Ausnahme deiner
Langeweile.« Mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: »Das ist wiederum echt typisch
für dich. Du bist schlichtweg nicht dafür geschaffen, Zeit zu verschwenden, indem
du sie einfach vergehen lässt.«
Was er im Anschluss sagt, ist wie
ein Schlag ins Gesicht – keiner von ihm, sondern ein weiterer des Alltags: In der
kommenden Woche muss Lukas abermals auf denselben Übungsplatz, da mehrere Manöver
aufgrund von defekten Fahrzeugen nicht durchgeführt wurden und nachgeholt werden.
»Ich fahre alles andere als gern«,
gibt er zu. »Insbesondere nicht nach dem Gehörten, doch eine Wahl habe ich nicht.
Davon abgesehen bin ich mir sicher, dass sich die Sache mit dem Mailen wie von selbst
erledigt. Es wird so schnell vorbei sein, wie es kam, und irgendwann hast du nicht
mehr Erinnerungen an ihn als ich an diese Unbekannte.«
Zudem gibt es einen echten Lichtblick.
Die Verlängerung der Militärübung wird die letzte solche Abwesenheit sein. Lukas’
Dienstzeit endet im März des nächsten Jahres, in gerademal einem halben Jahr – eine
überschaubare Zeit und ein echter Grund zur Freude. Es ist sozusagen das nächste
Highlight in unserem Leben oder auch ein weiterer Meilenstein. Lukas wird in ein
ziviles Berufsleben zurückkehren und, wenn seine Pläne sich fügen, Volvos verkaufen.
Mit Ausnahme der üblichen Fortbildungsmaßnahmen wird er jeden Abend und an den Wochenenden
zu Hause sein, nie mehr auf einen Übungsplatz oder gar zu einem Auslandseinsatz
entsendet werden.
Endlich, nach all den Jahren, steht
uns ein Leben bevor, das wir wirklich zusammen verbringen können. Was ist dagegen
schon eine Woche!
Aber erstens kommt es anders
Ich habe es wieder getan!
Verdammt,
verdammt, verdammt!
Ich bin schwach.
Ich bin ein Loser!
Lukas hat sich
auf mich verlassen, hat mir vertraut.
Ich habe nicht
durchgehalten.
Christoph hat mich am Strand spazieren
geführt. Währenddessen beschrieb er mir, was er sah, in welchem Blau das Meer schimmerte,
wie viele Boote draußen waren, in welchen Bars eine Party stieg und wie das nächtliche
Glimmen über Las Américas den Himmel einfärbte. Nachdem wir das Touristengewusel
hinter uns gelassen hatten, gelangten wir an einen ruhigen Strandabschnitt, dessen
dunkler Sand von Steinen und Sträuchern durchsetzt war. Wir nahmen Platz, schauten
auf das Wasser, rückten ein Stück näher. Und dann ist es eskaliert. Die Luft knisterte,
als wäre sie voller Elektrizität. Ein Brummen wie von Starkstrom legte sich auf
mein Gehör, fuhr hinab in meinem Bauch und brummte bald in meinem ganzen Körper,
sodass ich nicht länger fähig war, zu tippen. Christoph schrieb und formulierte
seine Zeilen so sorgsam, so liebevoll, dass ich nicht wusste, wo mir der Kopf stand.
Mir war, als verließe ich meinen Platz vorm PC, die Wohnung, Deutschland, als läge
ich dort auf der Insel im Süden neben ihm. Ich schmeckte seinen Kuss, spürte den
Sand unter mir, seine Haut auf meiner.
Als ich zur Besinnung kam, stützte
ich die Ellenbogen auf den Tisch, den Kopf in die Hände und gaffte auf den Monitor,
bis mir vor Anspannung Tränen in die Augen stiegen.
Um Himmels willen! Wir hatten telepathischen
Sex!
Er brauchte offenbar ebenfalls eine
Weile, um zu sich zu kommen.
›Ach, Engelchen‹, las ich irgendwann
und eine Träne kullerte über meine Wange. ›Warum kann das nie real sein?‹
Ich hätte sonst was dafür geben,
um in diesem Moment auf Raumschiff Enterprise zu sein. Dann hätte ich einfach nur
»Scotty, beam me up!« gerufen und wäre – schwups – verschwunden gewesen.
Lukas, Christoph, Christoph, Lukas
…
Ich denke an ›Herr der Gezeiten‹
und eine Frage, die dem Sportlehrer in den Sinn gekommen ist: Wieso kann nicht jeder
Mann und jede Frau zwei Leben zur Verfügung haben?
Meine Nacht ist nicht von Schlaf gesegnet. Am Morgen
muss ich mit jemandem sprechen!
Entweder mit
Hannah oder Nina oder Lilly. Auf keinen Fall mit allen dreien. Das kann nicht gut
gehen. Doch mit welcher Freundin will ich reden?
Wahrscheinlich kommt es ganz darauf
an, was ich hören möchte. Will ich
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