Tausche Brautschuh gegen Flossen
übel wie vor einer Mathematikprüfung.
Doch diese ganze Geschichte bringt nichts. Mir nicht, Christoph nicht, Lukas nicht.
Niemandem. Ich muss einen Schlussstrich unter das ungesunde Wunschtraumdenken setzen
und jeden Beteiligten erlösen. Also schreibe ich:
›Hallo Christoph,
ich bin jetzt wieder zu Hause. Der
kurzzeitige Tapetenwechsel hat mir gutgetan. Ich habe viel nachgedacht und eine
Entscheidung getroffen, die dir mitzuteilen mir nicht leicht fällt.
Es ist das Beste, wenn wir es an
dieser Stelle beenden. Ich kann das so nicht mehr. Es ist nicht fair, niemandem
gegenüber. Dass ich nach Teneriffa komme, ist eine Illusion. Ein solcher Schritt
würde alle Beteiligten noch tiefer verletzen, denn ich weiß, dass ich nicht bleiben
könnte. Stell dir vor, ich käme für zwei Wochen. Es wäre ein vorprogrammierter schwerer
Abschied. Also ist es am vernünftigsten, wenn wir uns an dieser Stelle voneinander
verabschieden – ohne uns je wirklich kennengelernt zu haben, wirst du jetzt denken.
Ich werde nicht mehr schreiben.
Falls doch, dann antworte nicht.
Lena‹
Minutenlang starre ich auf den Button. Dann klicke
ich ihn an und die Mail wird in Christophs Postfach geschickt. Sie ist fort und
bei ihm, unwiderruflich.
Zwei Tage später
bekomme ich Antwort. In der Zwischenzeit habe ich ständig meine E-Mails abgerufen
und eigentlich nicht mehr mit einer Reaktion gerechnet.
›Hallo Lena,
ich habe eine Weile gebraucht, um
deine Nachricht zu verarbeiten und an mein Großhirn weiterzuleiten. Ich bin ganz
viel getaucht, um mich abzulenken.
Prinzipiell war mir klar, dass ich
diese Worte früher oder später lese, und natürlich akzeptiere ich deine Entscheidung.
Ich mag dich zu sehr, als dass ich schuld daran sein möchte, dass Du Dein Leben
verpfuschst. Ich wäre gern mehr gewesen. In einem uns beiden nicht bewussten, parallelen
Leben bin ich das vielleicht.
Ich werd dich nicht vergessen.
Christoph‹
Am Ende der Woche kenne ich die Nachricht auswendig, so oft habe ich
sie gelesen.
Am Ende der
Folgewoche lese ich sie noch ein einziges Mal, dann lösche ich sie und mit ihr die
gesamte Korrespondenz zwischen Christoph und mir. Das fällt mir nicht leicht und
jeder Löschvorgang tut weh, doch Christoph kann kein Teil meines Lebens sein. Zurück
bleibt eine gewisse Leere, die sich in der Leere des Postfaches spiegelt.
Um mein Leben
endlich voranzubringen, setze ich drei Wochen später, Mitte November, meinem tristen
Dasein als unbezahlter Teamleiter eines konzeptlosen Projektes ein Ende. Mittlerweile
sind Bewerbungen geschrieben und drei Vorstellungsgespräche stehen in meinem Terminkalender.
Mein unumstrittener Favorit ist ein Marketingstudio in der Stadt, das sich erweitert.
Expandierende Unternehmen sind immer gut. Expandiert einer und vergibt unbefristete
Stellen, kann das nur bedeuten, dass für den Moment genug zu tun ist und die Prognosen
vielversprechend sind. Hingegen heißt es Finger weg von Neugründungen!
Noch eine
Woche später gehören die Vorstellungsgespräche der Vergangenheit an. Der Favorit
hat seinen Posten verteidigt. Ich will diesen Job! Leider ist die Stelle erst ab
Januar zu besetzen. Doch was sind schon fünf Wochen verglichen mit den Monaten,
die hinter mir liegen.
Die Rückmeldung lässt auf sich warten.
Zu allem Übel erhalte ich ein verlockendes Angebot von der zweitliebsten Stelle,
für die ich jeden Tag 50 Kilometer
mit dem Auto fahren müsste, und werde eingeladen, zum Unterschreiben des Arbeitsvertrages
vorbeizukommen. Der Inhaber reagiert überrascht, als ich mir Bedenkzeit erbitte.
Nach zwei weiteren Tagen meldet
sich endlich der Chef des Marketingstudios, um mir eine Praktikumswoche anzubieten,
in deren Anschluss meine Fähigkeiten bewertet werden sollen und eine Entscheidung
getroffen wird. Ich bin happy. Von mir aus kann das Praktikum bis zum Ende des Jahres
gehen. Ich will endlich arbeiten!
Die paar Tage Schnupperjob verlaufen
positiv. Ich erhalte den Auftrag, grafische Vorlagen für zwei Webseiten zu erstellen.
Eine ist für den Motorradshop, bei dem Lukas und Bastian ihre Maschinen gekauft
haben, als sie noch auf zwei Rädern unterwegs waren. Die andere Seite ist für einen
Großhandelsmarkt. Während ich arbeite, wird mir bewusst, mit welchem Elan ich die
Sache angehe. Es macht so viel Spaß, dass ich kaum ein Ende finde. Am liebsten würde
ich noch zu Hause weiterbasteln. Einige Dinge, zum Beispiel bestimmte Tools, sind
mir neu. Schließlich habe ich
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