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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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ein gutes halbes Jahr aufzuholen. Die Behauptung,
dass die EDV-Branche schnelllebig ist, halte ich für untertrieben. Prinzipiell muss
man nur zwinkern und hat schon etwas verpasst. Also klemme ich mich dahinter. Mal
hole ich Auskunft über das Internet ein oder tüftele so lange, bis es ich den Dreh
heraushabe, mal frage ich eine Mitarbeiterin. Sie und die anderen sieben Kollegen
sind in meinem Alter und haben entweder, wie ich, studiert oder eine Berufsausbildung
absolviert. Der Arbeitsalltag verläuft locker. Irgendeiner blödelt immer rum, ständig
gibt es einen Grund zu lachen und auf so manchen Scherz fliegen Papierkugeln durch
das Großraumbüro. Jeden Morgen wird ausgelost, wer den Radiosender bestimmen darf
und mittwochs wird anlässlich des ›Bergfestes‹, das die Mitte einer bis dahin erfolgreichen
Woche kennzeichnet, jenseits der Schreibtische gefrühstückt.
    Der Präsentation meiner Arbeit folgt
ein Gespräch unter vier Augen. Auf dem Weg dorthin schicke ich im Stillen Stoßgebete
in den Himmel. Allzu lange muss ich glücklicherweise nicht beten, denn sobald ich
sitze, höre ich die Worte, denen ich so entgegengefiebert habe:
    »Von mir aus
gern, Frau Scholl«, sagt der Inhaber mit einem zufriedenen Schmunzeln. »Können Sie
sich vorstellen, Mitglied unserer Mannschaft zu sein?«
    »Absolut«, lautet meine prompte
und in den Emotionen stark gedämpfte Antwort, denn am liebsten möchte ich vom Stuhl
hüpfen, um einen Freudentanz aufzuführen.
    »Dann sehen wir uns im neuen Jahr!«
Aus meinen Bewerbungsunterlagen zieht er einen Stapel Papiere. »Zugegeben, aus allen
Bewerbern waren Sie meine Favoritin, und ich war so frei, schon einen Arbeitsvertrag
vorzubereiten! Nehmen Sie ihn mit nach Hause und schauen Sie ihn in Ruhe an. Es
genügt, wenn ich ihn am Montag vorliegen habe.«
    Das geht runter wie Öl. Außer einem
»Danke« bringe ich kein Wort heraus. Ich bin viel zu beschäftig damit, glücklich
zu sein. Endlich kann ich in der Liste meiner derzeitigen Lebenswünsche einen letzten
Haken machen.
    Geschafft! Perfekt!
     
    Um meinen Erfolg zu feiern, besorgen Lukas und ich die Zutaten für
Caipirinha sowie Nachos Supreme und laden Nina und Bastian, Hannah und Lilly ein.
    Nach dem Essen sitzen wir in unserer
zweiten Etage, wo sich hinter der Terrasse ein Partyraum befindet, der mit Billardtisch,
Boxsack, Bildschirmen und Spielekonsole ein Paradies für jedes Männerherz ist. Den
Billardtisch haben Lukas und Bastian – beide passionierte Spieler – von einer bankrotten
Spielothek zu einem Spottpreis abgestaubt und bei uns untergestellt, da Bastian
keinen Platz dafür hat. Lukas und Bastian liefern sich nun ein Duell, das das erste
von vielen zu werden droht, da Lukas zu gewinnen scheint und Bastian ein schlechter
Verlierer ist. Sie sind so vertieft in ihren Zweikampf, dass das Eis in ihren Cocktails
schmilzt.
    Die Mädels und ich sehen gelangweilt
zu und als unsere Gläser leer sind, gehen wir zurück nach unten, um unsere zweite
Ration zu mischen. Lilly viertelt die Limetten. Hannah teilt sie auf die Gläser
auf und zerstampft den Rohrzucker darin. Nina zertrümmert das Eis. Ich schenke den
Pitú nach Augenmaß ein.
    Wir belagern die Couch im Wohnzimmer
und ich schalte einen Fernsehsender ein, der nonstop Musikvideos zeigt. Zu Hannahs
und meiner Freude beginnt um 22 Uhr die ›Rock ’n’ Heavy‹-Hour. Diesmal werden hauptsächlich
Songs aus den 90ern gespielt, deren Videos wir viele Jahre nicht gesehen haben.
Unsere Euphorie teilen Nina und Lilly leider nicht, ganz im Gegenteil, sie flehen
mich an, den Sender zu wechseln. Auch mit einem dritten Caipirinha sind sie nicht
zu bestechen, also gebe ich nach und zappe weiter, übergehe die restlichen Musiksender
und lande auf dem Discovery Channel.
    Es läuft eine Reportage über Haie,
die den Versuch unternimmt, die größten Irrtümer über den vermeintlichen Killerfisch
aufzuklären. Ich bin ein grundsätzlicher Befürworter von ›Haie sind nette Tiere‹,
doch um mich herum scharen sich drei Frauen, die sich echt gruseln, als ein südafrikanischer
Wissenschafter von seiner Begegnung mit dem Großen Weißen erzählt. Dabei beschreibt
der Mann das Tier als harmlos.
    »Lieber reite ich tagelang auf einem
Elefanten, als nur den kleinen Zeh in dieses Wasser zu halten«, bemerkt Lilly, als
der Film zum Great Barrier Reef überblendet und eine Gruppe von Surfern interviewt
wird.
    »Ich würde eher vor einem Elefanten
oder einem Nilpferd die Flucht ergreifen

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